Es ist eine Wende in der Flüchtlingspolitik, die Österreich beim Asylgipfel vergangene Woche geschafft hat und die ganz Europa hoffentlich zum Nachdenken und, was viel wichtiger ist, endlich zum Handeln bringen wird.

Die Bundesregierung hat das Notwendige beschlossen, um Österreich nicht über das Zumutbare hinaus zu belasten. Wenn Manfred Nowak (Politik darf nicht außerhalb des Rechts stehen, DER STANDARD, 25. Jänner) festhielt, Politik dürfe nicht außerhalb des Rechts stehen, dann muss man ihm zuerst entgegenhalten, dass die Politik – sofern notwendig – das einmal in Kraft gesetzte Recht auch ändern kann, sei es auf internationaler, europäischer oder nationaler Ebene. Auch seinen Argumenten, was die Zulässigkeit einer Obergrenze betrifft, muss ich widersprechen.

In der Genfer Flüchtlingskonvention wird in der Präambel, im vierten Absatz auf den Grundsatz der Zumutbarkeit hingewiesen, was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft: "... dass sich aus der Gewährung des Asylrechts nicht zumutbare schwere Belastungen für einzelne Länder ergeben können und dass eine befriedigende Lösung des Problems ... ohne internationale Zusammenarbeit unter diesen Umständen nicht erreicht werden kann", heißt es dort.

Was bedeutet das? Es ist für Schweden, Österreich und Deutschland nicht möglich, den Großteil der Flüchtlingslast zu schultern. Schweden hat mit großem Abstand die meisten Flüchtlinge in der EU – pro Kopf gerechnet – aufgenommen. Im vergangenen Jahr hatte Schweden 16,64 Asylwerber, darauf folgt schon Österreich mit 10,49 Asylwerbern pro 1000 Einwohner.

"Ultra posse nemo obligatur – Unmögliches zu leisten, kann niemand verpflichtet werden", war schon ein römischer Rechtsgrundsatz. Dieser gilt selbstverständlich auch noch heute.

"Nicht verkraften"

Schwedens Premier Stefan Löfven hat dazu beim Weltwirtschaftsforum in Davos betont, wenn "Österreich jetzt ankündigt, die Grenzen strenger zu kontrollieren, vollzieht es nur einen Schritt nach, den Schweden schon gesetzt hat. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir gesehen haben: Das kann die schwedische Gesellschaft nicht nachhaltig verkraften." Für Deutschland hat Bundespräsident Gauck betont: "Begrenzung hilft, Akzeptanz zu erhalten."

Das Unionsrecht selbst sieht vor, dass Österreich für Asylanträge von aus Mitgliedsstaaten der EU nach Österreich strömenden Flüchtlingen grundsätzlich nicht zuständig ist (Dublin-System). Außerdem kommen die unionsrechtlichen Bestimmungen betreffend Asyl dann nicht zur Anwendung, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit gefährdet sind. Denn bei aller Integration: Die nationale Sicherheit muss weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten fallen. So steht es ausdrücklich im Vertrag über die EU. Auch aus der Genfer Flüchtlingskonvention lässt sich nicht ableiten, dass Österreich unter allen Umständen verpflichtet wäre, Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten einreisen zu lassen. Denn in einem sicheren Drittstaat droht definitionsgemäß einem Flüchtling keine Menschenrechtsverletzung.

Die Politik bewegt sich hier nicht beliebig innerhalb oder außerhalb des Völkerrechts, wie Nowak meint. Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde in den 1950er-Jahren abgeschlossen, um individuell verfolgten Einzelpersonen Schutz zu gewähren, aber nicht um ein Land wie Österreich zu verpflichten, Masseneinwanderung und die damit verbundenen gesellschaftspolitischen Veränderungen hinzunehmen.

Wir haben für die nächsten Jahre Obergrenzen festgelegt, die für jedermann nachvollziehbar sich an den tatsächlichen Möglichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden orientieren. Das ist legitim und war höchst an der Zeit. (Reinhold Lopatka, 26.1.2016)