Tom Rakusa ist so etwas wie eine Legende. Das weiß er: Wenn Blizzard – gemeinsam mit "befreundeten", weil von der gleichen Agentur vertretenen, Marken Tecnica (im gleichen Konzern wie Blizzard), Uvex und Columbia – Journalisten Ende Jänner zum jährlichen "Preview on Snow" der Neuigkeiten der nächsten Saison bittet, demonstriert Rakusa alle Jahre wieder, dass es doch möglich ist, vor einem sehr gemischten Publikum so zu präsentieren, dass jeder glaubt, der Erfindung des Rades beizuwohnen. Und verstanden zu haben, worum es geht.

Und zwar sowohl Hardcore-Fachjournalisten von Berg-, Ski- oder Outdoormagazinen, die mit Fachfragen über das Verhalten von Materialsegmenten unter bestimmten Druckverhältnissen bei speziellen Temperaturen Produktmanager zum Weinen bringen, als auch die stets demonstrativ gelangweilten, mit dem Bergpöbel gerade Grußformeln austauschenden Fashion- und Lifestylebloggerinnen, die am Ende dann doch Fragen hatten: "Gibt es das auch in stylishen Girl-Farben? Und: Wie kann man Swarovski-Steine applizieren?"

Foto: Thomas Rottenberg

Präsentationstalent Rakusa

Rakusa also. Wenn der Skilehrer aus Salzburg, der lange in Argentinien gelebt und gearbeitet hat, zu erzählen beginnt, warum das, was man im Vorjahr zum Teil schon gehört hat, heuer dennoch neu ist, hört man zu. Rakusa weiß, wie es geht: Die Elastizität eines Skis demonstrieren kann bald wer – aber als 1,90-großer Mann dafür in einen Kinderski so zu steigen, dass er aussieht wie ein Jagdbogen, nicht.

Wenn Präsentationen – man soll ja dann Skifahren gehen (offiziell "in der Praxis testen" genannt) – vor acht in der Früh oder nach neun am Abend stattfinden, holt das plus die physische und akustische Präsenz der Mischung aus Telly Savallas und Murenabgang, müde Schreiber aus dem Halbschlaf.

Freilich ändert das nichts daran, dass auch Blizzard das Rad nicht jedes Jahr neu erfinden kann, es aber dennoch behaupten muss. Und in Wirklichkeit vor einem ganz anderen Problem steht. Skiverkäufe sind nicht bloß rückläufig, sie brechen ein. Ein Großteil der Skifahrer mietet für die paar Tage auf der Piste das, was er – oder sie – braucht. Oder zu brauchen glaubt. Oder: Er/sie in die Hand gedrückt bekommt.

Foto: Thomas Rottenberg

Die Sache mit den Verleihski

Auf Herstellerseite ist das nicht unproblematisch: Verleihski kommen viel öfter zum Einsatz als gekaufte. Sie werden ("don´t be gentle, it´s a rental") auch alles andere als pfleglich behandelt. Und müssen sicher mehr können als Privatlatten: Die Bindungen müssen schnell und oft und weiter ein- also verstellbar sein. Was beim Skiaufbau eine Rolle spielt, da die Träger-Schienen der Bindungen mehr Spielraum brauchen.

Stellten die meisten Firmen deshalb lange einerseits Verkaufs-, anderseits Verleihski her, ist das heute nicht mehr rentabel: Ski, erklärte Blizzard-Mann Rakusa beim "Preview" in Kals, werden heute für beide Vertriebswege hergestellt. Für Ausborger wäre das eigentlich die ideale Plattform, den besten Ski zu finden. Wäre. Eigentlich.

Foto: Thomas Rottenberg

Der Haken: Der Skiverleiher will rasch Hardware über die Budel reichen. Er hat keine Zeit zu beraten. Schon gar nicht Kundschaft, die keine Ahnung von dem hat, was einen Ski vom anderen unterscheidet: Menschen, die sich mit Skitests, Material und Performance einzelner Modelle auskennen, fahren in der Regel viel. Haben also eigene Ski.

Machen Sie den Test: Fragen Sie in ihrem Bekanntenkreis Noch-, Wieder-, oder Gelegentlich-Skifahrer, was Rocker, Taillierung, IQ, Radius, Carbon- und Fiberglas-Layering oder Full-Camber bedeuten. Oder: Was für einen Ski sie brauchen.

thomas rottenberg

Die Kunst des Vermarktens

Tom Rakusa weiß das natürlich. Aber gleichzeitig muss er – so wie die gesamte Branche – das Rad als neu präsentieren. Die Kunst des guten Vermarkters ist es, mit Begriffen so selbstverständlich um sich zu werfen, dass man mitgerissen wird.

Und – etwa bei Blizzards aktuellen Spitzen-Pistenmodellen der Quattro-Serie – glaubt, zu kapieren, was die "Vier Elemente für vier Chartereigenschaften" dem eigenen Fahrverhalten bringen. Und welche der acht Kombinationsmöglichkeiten dieser "Elemente" (Shape, Rocker, IQ, Konstruktionsart) dann jenes Premiummodell ergibt, das zwingend der persönlich und individuell einzig mögliche Ski ist.

Dass das bei Durchschnittsfahrern Topfen ist, ist eh klar: Natürlich spürt man – wenn man auf großartig präparierten, menschenleeren Pisten ständig den Ski wechselt – auch als Normalo Unterschiede. Und natürlich ist es ein Hammergefühl, dann jenen Ski unterm Fuß zu haben, von dem man die richtigen "Antworten" auf die kleinste Bewegung bekommt. Da macht sogar mir Pistenrutschen Spaß – und das heißt was.

thomas rottenberg

Nur schaut der skifahrerische Alltag halt anders aus: Wer es auf vollen Pisten zwischen Kindergruppen und Anfängern tuschen lässt, wie das in Kals locker möglich war, handelt grob fahrlässig. Weil er vermutlich weit über seine Verhältnisse, in jedem Fall aber über das, was da zulässig ist, fährt.

Und: Er – oder sie – wird den perfekten Ski wohl kaum finden. Schließlich ist der Dialog im Skiverleih in der Regel ein Monolog. Und geht selten anders als so:

"Wie groß bischt?"

"Wie guat fahrscht?"

"Da hoscht."

"Nächsta!"

(Thomas Rottenberg, 7.2.2016)

Foto: Hersteller

Die Blizzard-Quattro-Reihe umfasst acht Modelle. Die Spitzenmodelle (Quattro RS und RX) werden um die 900 € kosten.

www.blizzard-ski.com