Chefin in Birmingham: Mirga Gražinyte-Tyla.

Foto: Vern Evans

Salzburg – Die Abkürzung CBSO steht nicht nur für einen recht langen Namen, also für City of Birmingham Symphony Orchestra. Sie meint auch einen der interessantesten Klangkörper Europas. Seinerzeit hat ihn Sir Simon Rattle international bekanntgemacht, bevor er nicht weniger als Chef der Berliner Philharmoniker wurde. Und bis vor kurzem war die Zukunft des Orchesters an den Könner Andris Nelsons gebunden, der jedoch zum Gewandorchester Leipzig wechselt. Mirga Gražinyte-Tyla, die ab September die Leitung in Birmingham übernehmen wird, blickt also auf schwergewichtige Vorgänger zurück.

Allerdings ist sie keine Unbekannte mehr. Die Musikchefin des Landestheaters Salzburg machte international auf sich aufmerksam, als sie 2012 bei den Salzburger Festspielen den Young Conductors Award gewann. Unlängst leitete sie – sehr erfolgreich – das RSO im Wiener Konzerthaus.

Birmingham? "Wir haben dort zwei Programme erarbeitet, wir kennen einander schon", so die Litauerin. Auch empfand sie die Zusammenarbeit mit den Musikern des Orchesters "als sehr leicht. Ungefähr vor einem Monat hat es dann jenen Suchprozess eingeleitet, bei dem jeder Musiker anonym für einen Kandidaten voten kann."

In dieses Verfahren würde Verschiedenes, u. a. auch die Meinung des Publikums einfließen, so Gražinyte-Tyla, die bekundet, nach dem Angebot Birminghams "einige Tage" gründlich überlegt zu haben. "Es gab da noch andere Angebote", es brauchte Bedenkzeit.

Was in Birmingham von ihr erwartet wird? Vor alle wohl "Hingabe ans Musizieren, ans Erarbeiten von Werken und natürlich soziale Kompetenz". Zusätzlich vor allem aber wohl mindestens das Halten des Niveaus, das internationale Reputation garantiert. Mirga Gražinyte-Tyla ist auch international längst gut vernetzt. In Salzburg wurde Dirigent Gustavo Dudamel auf sie aufmerksam und holte sie zum Los Angeles Philharmonic Orchestra. Auch mit der renommierten Kremerata Baltica und Geiger Gidon Kremer arbeitet sie eng zusammen.

Gražinyte-Tyla studierte in Graz, dort kam der Wunsch auf, nicht nur Chöre, sondern auch Orchester zu dirigieren. Sie sammelte Wissen aber auch am Konservatorium in Bologna, an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig und zuletzt an der Zürcher Hochschule der Künste. Wenn sie etwas an ihrem Beruf als heikel empfindet, dann den Umgang mit Zeit. "Es bleibt nicht genug Zeit zur Vertiefung. Wettbewerbe etwa haben auch den Vorteil, dass man sich konzentriert vorbereiten kann."

In Birmingham müsste musikalische Tiefenforschung aber möglich sein. Sir Simon Rattle war ja dort fast zwei profunde Jahrzehnte lang tätig. (Ljubisa Tosic, 5.2.2016)