Glück allein reicht gegen Überkapazitäten im Stahlsektor nicht. Sieben EU-Länder wollen Strafzölle für Ware aus China und Russland.

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Brüssel – Alarm in der Stahlbranche. ArcelorMittal schreibt Milliardenverlust, ThyssenKrupp und Salzgitter halten sich nur dank harter Sparprogramme in den schwarzen Zahlen. Grund sind Überkapazitäten und Preisverfall, die durch eine Stahlschwemme aus China und Russland verstärkt werden. Hinzu kommt, dass die Nachfrage weit unter dem Niveau von 2007 liegt. Das setzt der Branche zu – und scheucht die Politiker auf.

Auf Initiative Frankreichs fordern sieben stahlproduzierende EU-Länder die EU-Kommission in einem am Freitag versandten Brief auf, ihrer unter fallenden Preisen und Billigimporten aus China und Russland leidende Industrie zu helfen. In dem Brandbrief verlangen Minister aus Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Polen, Belgien und Luxemburg die EU auf, alle Mittel auszuschöpfen, um gegen unlautere Handelspraktiken ausländischer Stahlproduzenten vorzugehen.

"Unfaire Praktiken"

Die EU könne nicht untätig bleiben, zitierte Reuters am Sonntag aus dem Schreiben an EU-Kommission und EU-Ministerrat. "Wir dürfen nicht warten, bis der Schaden durch unfaire Praktiken für unsere Branche irreversibel wird." Der wachsende Arbeitsplatzabbau und die Schließung von Stahlwerken zeigten, dass ein Zusammenbruch des europäischen Stahlsektors drohe. Die Hersteller werfen vor allem China und Russland Dumpingpreise vor.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat am Freitag drei neue Anti-Dumping-Verfahren gegen chinesische Stahlimporte angekündigt. Auf die Einfuhr bestimmter Stahlsorten aus der Volksrepublik und Russland sollen laut Insidern Zölle eingehoben werden. Das geht den Unterzeichner-Ländern nicht weit genug. Sie verlangen auch Verfahren wegen weiterer Stahlsorten, die aus China kommen.

Warnung aus Peking

China warnte umgehend vor Strafzöllen. Um die Vorwürfe zu klären, müsse die Welthandelsorganisation WTO eingeschaltet werden, appellierte das Handelsministerium in Peking auf seiner Internetseite. Die EU-Kommission will noch im Februar vorläufige Zölle von bis zu 16 Prozent auf importierten chinesischen Stahl verhängen. Bei Stahl aus Russland könnten es gar bis zu 26 Prozent sein. Erste Maßnahmen könnten bereits am 14. Februar bekanntgegeben werden. Bis 12. August will die EU-Kommission ihre Ermittlungen der EU-Kommission abgeschlossen haben, danach drohen endgültige Zölle.

Die EU ist nach China der zweitgrößte Stahlproduzent der Welt. Seit 2008 gingen nach Industrieangaben 85.000 oder ein Fünftel aller Arbeitsplätze verloren.

Gedämpfte Aussicht

Besserung ist nicht in Sicht. Allein die deutsche Stahlindustrie erwartet heuer einen Rückgang der Rohstahlproduktion von drei Prozent auf 41,5 Millionen Tonnen. Nach Wachstumsraten von 1,8 Prozent im dritten Quartal 2015 (dem jüngsten verfügbaren Branchenstatus) erwarten die in der Vereinigung europäischer Stahlerzeuger (Eurofer) versammelten Stahlkocher im Gesamtjahr "bescheidenes Wachstum" in einer Range bis 2,0 Prozent. Für heuer wird der Branchenindex Swip (Steel Weighted Industrial Produktion) um 2,2 Prozent höher erwartet, 2017 um 2,6 Prozent.

Während der Absatz von Röhren um fast sechs Prozent eingebrochen ist, wurden Konsumprodukte (Autos, Weißware) verstärkt abgesetzt. Im Bausektor sind die einzigen EU-Länder, in denen es abwärts geht, Frankreich und Österreich, während man Spanien, Niederlande und Schweden eine robuste Nachfrage für Baustahl sieht. Als verlässlicher Motor gilt mit einem Output (inklusive Ersatzteile und Komponenten) die Autoindustrie, wenngleich sich deren Tempo auf drei Prozent verlangsame. (Reuters, ung, 8.2.2016)