Amerikas Wähler sind zornig und lassen ihrem Ärger freien Lauf. Das ist das einzig klare Ergebnis der Vorwahlen in New Hampshire, wo mit Donald Trump und Bernie Sanders in beiden Parteien zwei typische Protestkandidaten gegen das Establishment und dessen unbefriedigende Politik siegten.

In dieser Hinsicht gleicht die US-Politik immer mehr der europäischen Wählerlandschaft, wo aus ähnlichen Motiven Heinz-Christian Strache, Marine Le Pen, Beppe Grillo, Alexis Tsipras oder die spanische Podemos Zulauf erhalten haben.

Aber während in den parlamentarischen Systemen Europas der Erfolg rechts- oder linkspopulistischer Parteien das Regieren blockiert oder zumindest erschwert, ist man es in den USA gewohnt, dass Protestkandidaten bei den ersten Vorwahlen in Iowa und New Hampshire groß auftrumpfen, sich die Republikaner und Demokraten aber dann doch für einen Vertreter des Mainstreams entscheiden. Das Ziel ist schließlich, im November das Präsidentenamt für die eigene Partei zu erobern.

Sanders ist für die Mehrheit unwählbar

Auch diesmal ist für das Establishment nicht alles verloren. Hillary Clinton wurde zwar schwer geschlagen und hat, wie schon 2008, große Schwächen als Wahlkämpferin gezeigt, aber die meisten Demokraten wissen, dass nur sie eine ernsthafte Chance auf den Einzug ins Weiße Haus hat. So authentisch der 74-jährige Sanders mit seiner Kampfansage an die grassierende Ungleichheit auch auf junge Demokraten wirkt, für die Mehrheit der US-Wähler ist der selbst erklärte "demokratische Sozialist" mit seinen radikalen Umverteilungsplänen nicht wählbar. Er würde gegen fast jeden Republikaner verlieren, selbst der von so vielen gehasste Trump hätte gegen ihn eine Chance.

Die Vorwahlstimmen für Sanders sind Ausdruck eines hedonistischen Idealismus, dem Visionen und Träume wichtiger sind als Realpolitik. Clintons mangelnde Popularität spiegelt auch die Enttäuschung über Präsident Barack Obama wider, der aus den USA kein anderes Land gemacht hat. Aber das würde auch einem Präsidenten Sanders nicht gelingen.

Obamas Grenzen in der Klimapolitik

Gegen eine republikanische Kongressmehrheit und einen konservativen Obersten Gerichtshof lassen sich große progressive Würfe nicht durchsetzen. Das zeigt sich auch in der Klimapolitik, wo das Höchstgericht Obamas Versuch vorerst gestoppt hat, die Reduktion der Treibhausgase per Verordnung zu erzielen und so den klimaskeptischen Kongress zu umschiffen.

Obama hat weniger erreicht als erhofft, aber mit der Gesundheitsreform und vielen anderen Maßnahmen hat er das Bestmögliche getan, um eine progressive Agenda durchzusetzen. Das ist auch Clintons pragmatisches Versprechen, mit dem sie die Vorwahlen immer noch gewinnen kann. Ein langes Ringen mit Sanders würde ihre Chancen im November nicht zwingend trüben, vielleicht sogar verbessern.

Drei Mainstream-Republikaner sind zuviel

Zieht allerdings ein Republikaner ins Weiße Haus, würde das Land scharf nach rechts wandern. Dafür aber müsste sich die Partei auf einen der Kandidaten einigen, der nicht nur Hass und Zorn verbreitet. Von denen hat sie nunmehr drei – Marco Rubio, Jeb Bush und John Kasich -, doch keiner hat bisher wirklich überzeugt.

Diese Selbstblockade des Establishments droht den Radikalpopulisten Trump oder Ted Cruz die Tür zu öffnen. Für die Demokraten wäre das ein Grund zum Jubeln – außer sie erliegen selbst der Versuchung der Gefühle und nominieren tatsächlich Bernie Sanders. (Eric Frey, 10.2.2016)