Die Arbeitslosenquote der Gruppe über 50 Jahren ist gestiegen – aber nicht stärker als im allgemeinen Schnitt.

AMS-Chef Kopf.

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Wien – Es ist eine Unsitte, die auch in wirtschaftsfreundlichen Kreisen nicht bestritten wird. "In vielen Fällen drängen Firmen ältere Arbeitnehmer gegen deren Willen in die Frühpension", sagt Ulrich Schuh, des Unternehmerbashings unverdächtiger Leiter des industrienahen Instituts Eco Austria. Doch das bequeme Abschieben wird zunehmend schwieriger. Reformen haben Wege in den vorzeitigen Ruhestand versperrt – und geht es nach ÖVP und Wirtschaftsvertretern, sollen beim Pensionsgipfel am 29. Februar weitere Schranken folgen. Doch gibt es genügend Jobs, dass alle länger arbeiten können?

Die Ausgangslage ist schlecht: Fast eine halbe Million Menschen ist arbeitslos gemeldet, Tendenz steigend. Dennoch warnt Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, vor dem Schluss, dass ein späterer Pensionsantritt eins zu eins zu mehr Arbeitslosigkeit führe. Ein größeres Arbeitskräfteangebot generiere Beschäftigung, schließlich gingen derzeit genug Menschen in Pension, die der Markt noch brauchen könne: "Ein Bauernhof wird Leistung verlieren, wenn der Opa mit 60 in Pension geht. Dieses Prinzip gilt auch für den Staat."

Wer einmal rausfliegt, findet schwer zurück

Kopf nennt folgende Faustregel: Mehr Arbeitskräfteangebot infolge späteren Pensionsantritts schlage sich maximal zu einem Drittel in höherer Arbeitslosigkeit nieder, und auch das nur kurzfristig. "Der Haupteffekt aber ist", sagt der AMS-Chef, "dass die Leute länger im Job bleiben." Werden Unternehmen, wenn die Wege in die Frühpension verschlossen werden, ältere Bedienstete denn nicht systematisch aufs Arbeitsamt abschieben? Kopf sieht die kritische Phase eher vor den "magischen 50", zumal die Meinung herrsche, dass Arbeitnehmer ab diesem Alter wegen des stärkeren Kündigungsschutzes kaum noch loszukriegen seien. Beschäftigte 50 plus haben laut AMS-Daten hingegen ein geringeres Risiko als Jüngere, arbeitslos zu werden.

Das Problem der "Oldies" ist demnach ein anderes: Wer einmal rausgeflogen ist, findet schwer wieder zurück. Die Dauer der Arbeitslosigkeit steigt mit dem Alter massiv.

Zwei Welten der älteren Arbeitnehmer

Die Abgehängten zählt Christine Mayrhuber zu den Verlierern eines steigenden Pensionsantrittsalters. Die Expertin vom Wirtschaftsforschungsinstitut teilt die älteren Arbeitnehmer in zwei verschiedene Welten ein: Während der eine Teil stabile Jobs habe und auch zum eigenen Vorteil ohne Weiteres länger arbeiten könnte, sei der andere von Arbeitslosigkeit, Krankenständen und prekären Jobs geplagt. Rund 40 bis 50 Prozent der regulären Alterspensionisten, rechnet Mayrhuber vor, träten nicht aus aktiver Beschäftigung in den Ruhestand über.

Ohne bessere Chancen auf Beschäftigung würde ein höheres Antrittsalter die missliche Situation nur verlängern: "Die Kosten für Langzeitarbeitslosigkeit würden die Einsparungen im Pensionssystem zu einem Gutteil aufwiegen." Statt etwa an eine Automatik zu denken, die das Pensionsalter mit der Lebenserwartung hebt, sollte die Regierung besser versuchen, die Beschäftigungsquoten der Älteren zu steigern, empfiehlt Mayrhuber. Die im Koalitionspakt vereinbarten Ziele sind laut Wifo noch weit entfernt – zwischen Wunsch und Wirklichkeit klaffen Lücken von bis zu sieben Prozent.

Höhere Arbeitslosigkeit als Irrglaube

Auch Schuh plädiert für mehr Unterstützung für Langzeitarbeitslose. Dass ein höheres Antrittsalter die Arbeitslosigkeit weiter anheize, hält er aber für einen Irrglauben. Zwar würden Firmen Mitarbeiter vor Pensionsantritt zum Kostensparen gerne noch für ein paar Monate in die Arbeitslose schicken; doch diese Praxis werde sich mit dem Antrittsalter einfach nach hinten verlagern.

Bestätigt fühlt sich Schuh von den aktuellen Daten. Die Zahl der Jobsucher über 50 nahm zuletzt besonders stark zu, doch gleichzeitig wuchsen Arbeitskräfteangebot und Beschäftigung. Die Arbeitslosenrate dieser Altersgruppe stieg zuletzt somit nicht stärker als die durchschnittliche Arbeitslosenrate, sie liegt mit 9,7 Prozent etwas über der gesamten Quote von 9,1 Prozent (siehe Grafik). Schuh schließt aus der synchronen Entwicklung, dass die generelle wirtschaftliche Lage die Arbeitslosigkeit bei den Älteren treibe, nicht aber der erschwerte Zugang in die Frühpension.

Die Jungen nicht vergessen

Uneinig wie die Experten sind auch die politischen Verhandler. ÖVP und Wirtschaft fordern Verschärfungen im Pensionssystem, SPÖ und Gewerkschaft Abhilfe am Arbeitsmarkt. Bisher einzige Schnittmenge: mehr Unterstützung für jene, die wegen Krankheit auf der Strecke bleiben.

Auch AMS-Chef Kopf hat einen Wunsch. Etwaige Maßnahmen dürften Jüngere nicht aussparen, sagt er, denn ein steigendes Pensionsalter bedrohe in erster Linie nicht die Älteren mit Arbeitslosigkeit: Betroffen wären vor allem Personen im Haupterwerbsalter zwischen 25 und 50 Jahren. (Gerald John, 11.2.2016)