Dieselbegünstigung und Pendlerpauschale standen bereits wiederholt in der Kritik.

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Wien – Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sprudeln in Österreich jährlich 3,8 bis 4,7 Milliarden Euro an direkten und indirekten Förderungen, die kontraproduktiv für die Umwelt sind. Davon entfällt rund die Hälfte auf den Verkehr, mehr als ein Drittel auf Energie und ein Zehntel auf das Wohnen, geht aus einer am Mittwoch präsentierten Studie des Wifo hervor, das eine Reform für geboten hält.

Diese kontraproduktiven Förderungen sollten in eine ökologische Fiskalreform eingebettet – und letztlich reduziert werden, fordern Expertinnen des Instituts und auch Wifo-Chef Karl Aiginger. Arbeit sei viel stärker als Emissionen besteuert, in ein Gesamtkonzept sollte proaktiv die Industrie einbezogen werden, so Aiginger.

Fossilenergie müsste teurer werden

Fossilenergie müsste nach den Pariser Klimagipfel-Beschlüssen eigentlich von Jahr zu Jahr teurer werden, meinte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts am Mittwoch. Nötig sei eine Industriepolitik, die Europa bei hochintelligenten Produkten führend mache: "Je früher wir damit beginnen, umso mehr Exportchancen gibt es. Wir sollten uns die Pariser Dekarbonisierungs-Beschlüsse zu Herzen nehmen." Neue Wohnungen sollten wie in Dänemark nicht mehr mit fossiler Energie beheizt werden dürfen, sondern nur noch mit Erneuerbaren. Industrieaspekte seien in eine Steuerreform mit einzubeziehen; höhere Energieabgaben sollten mit mehr Mitteln für Forschung oder höhere Qualifikation kompensiert werden.

Als größten Brocken der Förderungen – der noch dazu national zu ändern wäre – nennen die Autorinnen die Diesel-Begünstigung von rund 640 Millionen Euro im Jahresschnitt, gefolgt vom Pendlerpauschale (inklusive Pendlereuro) von 560 Millionen Euro. Die Energieabgabenvergütung für die energieintensive Industrie betrug 2010 bis 2013 im Schnitt 450 Millionen Euro; einen weiteren höheren Betrag macht die Wohnbauförderung mit 275 Mio. Euro für Neubauten aus. An international regulierten Summen nennt die Studie unter anderem das Herstellerprivileg für Produzenten von Energieerzeugnissen (535 Millionen Euro) und die Kerosinbefreiung von der Mineralölsteuer von 330 Millionen Euro.

Straßenverkehr ist Großprofiteur

Nach Sektoren entfällt der Löwenanteil mit 1,4 bis 1,7 Milliarden Euro auf Energieerzeugung und -verbrauch; das betrifft sowohl die Energieerzeugung (zum Beispiel Energiesteuerbefreiung der Stromerzeugung) als auch den Energieverbrauch (etwa Energieabgabenverfügung für die Industrie, aber auch Gratiszuteilungen von zuletzt 100 Millionen Euro jährlich im EU-Emissionshandelssystem).

Auf den Verkehr entfallen Förderungen von 2,0 bis 2,2 Milliarden Euro pro Jahr, die laut Wifo zu drei Vierteln dem Straßenverkehr zugutekommen, nämlich über die Steuerbegünstigung bei Diesel, die Pendlerförderung und die pauschale Dienstwagenbesteuerung (allein 225 Millionen Euro). Ein Viertel entfällt auf den Flugverkehr (185 Millionen Euro Mehrwertsteuerbefreiung des internationalen Flugverkehrs).

Förderung über Steuerbegünstigungen

Der Bereich Wohnen enthält 390 bis 790 Millionen Euro Jahresfördervolumen. Diese Subventionen fördern den Eigenheimneubau und Verkehrsflächen und begünstigen die Bereitstellung oder Nutzung von Abstellplätzen, etwa mit 114 Millionen Euro über die Stellplatzverordnung.

Der Großteil der analysierten Förderungen besteht laut Wifo aus steuerlichen Begünstigungen, wie in den meisten europäischen Ländern spielen direkte Subventionen wie Zuschüsse und Darlehen hier kaum noch eine Rolle. Produktion und Konsum seien oft mit nichtnachhaltigem Ressourcen- und Umweltverbrauch verbunden, Förderungen könnten hier lenken, erklären die Autorinnen Daniela Kletzan-Slamanig und Angela Köppl. Die Maßnahmen dienten aber häufig anderen, sozial- oder wirtschaftspolitischen Zielen und brächten "nicht intendierte Nebeneffekte auf die Umwelt mit sich".

60 Prozent der Subventionen für Unternehmen

Nach Begünstigtengruppen kommen der Studie zufolge etwa 40 Prozent der Subventionen den privaten Haushalten zugute – vor allem verkehrsbezogene Maßnahmen wie Pendlerförderung, pauschale Dienstwagenbesteuerung, aber auch das gesamte Volumen im Bereich Wohnen. Zwar fällt dieser Sektor weitgehend in die Kompetenz der Bundesländer, wurde aber wegen seiner Wechselwirkungen auf Energienutzung und Verkehr mit einbezogen. Etwa 60 Prozent der Subventionen kommen den Unternehmen zugute – nämlich zur Gänze die Förderungen für Energieerzeugung und -nutzung.

Eine Reform der "umweltschädlichen Subventionen" sei "geboten": erstens zugunsten von Umwelteffekten – aber auch im Hinblick auf die geforderte Budgetkonsolidierung seien Förderungen auf ihre Effizienz und Effektivität hin zu untersuchen.

Aus rechtlichen Gründen können die vom Wifo konstatierten "umweltkontraproduktiven Förderungen" zum Teil nicht im nationalen Alleingang oder vollständig abgebaut werden, etwa weil sie auf EU-Regelungen oder völkerrechtlichen Verträgen basieren. National änderbar seien nur knapp zwei Drittel des Volumens, nämlich 2,3 bis 2,9 Milliarden Euro im Jahr. (APA, 17.2.2016)