Dieses Selfie schickte der Nasa-Rover Curiosity Anfang August 2015 vom Mars. Seit 2012 untersucht das weitgehend autonome, 900 Kilogramm schwere Vehikel dort mit zehn Instrumenten Gestein, Atmosphäre und Strahlung.

Foto: Imago / UPI Photo

Bild nicht mehr verfügbar.

William Gerstenmaier (geb. 1954) ist bei der Nasa für den bemannten Raumflug verantwortlich.

Foto: AP / John Raoux

Wien – In 20 bis 25 Jahren werden Menschen auf dem Mars landen. Das ist nicht Science-Fiction, sondern die Vision der Nasa. Einer der Regisseure dieser Mars-Mission ist William Gerstenmaier, bei der US-Weltraumorganisation für den bemannten Raumflug verantwortlich. Er hält allerdings nichts von hollywoodreifen Ankündigungen, sondern geht als nüchterner Techniker streng nach Drehbuch vor, wie er am Montag bei einem Besuch in Wien sagte: "Ich konzentriere mich auf die Reise, nicht auf die Destination. Das ist Herausforderung genug."

Die ersten Schritte auf dieser Reise werden gerade gesetzt. Der Weg ist für Gerstenmaier das Ziel – und der führt zunächst einmal über den Mond. Zwar ist keine langfristige Besiedlung geplant, doch können dort wichtige Erkenntnisse für den weiteren Reiseverlauf gewonnen werden. "Der Mond dient uns sozusagen als Startplatz für unsere Mars-Mission", sagt Gerstenmaier.

Auch die Internationale Raumstation (ISS) wird dafür benötigt, derzeit werkt dort noch eine Crew von sechs Personen – was angesichts des Zustands der Station von Tag zu Tag schwieriger wird. Tatsächlich wird die Nasa die ISS aufgeben: "Wir müssen für einen Rückzug bereit sein, werden aber nichts überstürzen." Doch die Amerikaner haben bereits angekündigt, die niedrige Erdumlaufbahn in Zukunft Privatunternehmen zu überlassen – diese sollen die ISS für eigene Projekte nutzen.

Bis dahin wird die ISS von der Nasa selbst benötigt: Der US-Amerikaner Scott Kelly und der Russe Mikhail Kornienko sind seit einem Jahr auf der Raumstation, um die Auswirkungen des längeren Aufenthalts auf die menschliche Gesundheit zu untersuchen; die beiden werden am 2. März zur Erde zurückkehren. Insgesamt gibt es mehr als 30 medizinische Fragen, die vor einer Mars-Mission beantwortet werden müssen – unter anderem Muskelschwund, Immunsystem und Strahlung betreffend; bezüglich Letzterer werden gerade Untersuchungen durch den Curiosity-Rover direkt auf dem Roten Planeten durchgeführt.

Wasser aus Permafrost

Mond und ISS sind Komponenten der ersten von drei Phasen der Mars-Reise – diese wird "Earth Reliant" genannt. Dabei werden neben dem menschlichen Körper unter anderem Kommunikationssysteme auf ihre Tauglichkeit überprüft. In der zweiten Phase, der sogenannten "Proving Ground", die 2018 anläuft, geht es bereits um schwierigere Missionen in den Weltraum, bei dem die neue Trägerrakete Space Launch System (SLS) und bemannte Orion-Kapseln ausprobiert werden. So soll schließlich die dritte Phase, "Earth Independent", eingeleitet werden, allerdings frühestens ab 2030. Dann sollen Menschen auf dem Mars oder einem seiner Monde landen und dort viele Jahre überleben. "Der größte Unterschied zwischen Phase 2 und Phase 3 ist die Dauer von Flügen dorthin. Bis zum Mond braucht man wenige Tage, zum Mars einige Monate", sagt Gerstenmaier. Im Notfall kann man nicht eben rasch zur Erde zurück oder dringend benötigte Teile nachschicken. Daher wird es notwendig sein, vor Ort entsprechende Infrastruktur aufzubauen.

Auf dem Mars könnte Sauerstoff direkt aus der Atmosphäre gewonnen werden; auch die Versorgung mit Wasser könnte funktionieren. Derzeit laufen Versuche, wie dieses etwa aus Permafrost gewonnen werden könnte; die jüngsten Hinweise auf flüssiges Wasser erhöhen die Chancen eines erdunabhängigen Überlebens. An weiteren Aufgaben für Wissenschafter wird es dennoch nicht mangeln: So ist es schwierig, auf dem Mars zu landen, denn dessen Atmosphäre bremst Raumkapseln zwar kaum ab, kann sie aber beim Eintritt stark aufheizen.

Asteroid als Versuchsobjekt

Als Objekt für wissenschaftliche Versuche und Praxiserprobung von Raumfahrzeugen soll in den 2020er-Jahren auch ein Asteroid in Erdnähe dienen: Von diesem soll ein Gesteinsbrocken entnommen und in die Mondumlaufbahn gebracht werden. Bei dieser Mission könnte gleich der Ionenantrieb für einen Flug zum Mars getestet werden, nebenbei will man Aufschlüsse gewinnen, wie gefährliche Asteroiden von einem Kurs in Richtung Erde abgebracht werden können.

Weshalb müssen Menschen zum Mars, würden nicht Roboter reichen? "Menschen sind besser geeignet, etwas Sinnvolles vom Mars zurückzubringen. Sie adaptieren sich rascher und können wichtige Proben rascher finden", sagt Gerstenmaier, der aber auch weiß: Das Risiko, nicht mehr zur Erde zurückkehren zu können, wird hoch sein. Was das Interesse an der Mars-Reise nicht dämpfen sollte: Bei der Nasa sind für die jüngste Ausschreibung um Astronautenjobs mehr als 18.000 Bewerbungen eingelangt. Sollte der Mars in Reichweite sein, dürfte das Interesse noch steigen, selbst wenn bis dahin die Star Wars-Filme nur mehr Nostalgie sind.

Und weshalb wollen wir zum Mars? Es sei der nächstgelegene Planet für menschliche Besiedlung und kann wertvolle Aufschlüsse für die Wissenschaft bringen. Die Mission sei eine "Reise für die gesamte Menschheit" heißt es im Nasa-Jargon.

Europäische Technik

Zudem soll die Wirtschaft vieler Länder profitieren: Gesucht wird die Zusammenarbeit mit Privatunternehmen, für diese werden derzeit Standards definiert, um zukünftige Entwicklungen zu ermöglichen – entsprechende Versuche werden im Laufe des Jahres auf der ISS beginnen. "Partnerschaften mit der Privatwirtschaft sind nötig", meint Gerstenmaier.

Nicht zuletzt soll die Reise zum Mars die Zusammenarbeit vieler Nationen bedeuten. Wenn in zwei Jahren die ersten Tests der Orion-Raumkapsel stattfinden, mit der später Mars-Reisende unterwegs sein sollen, werden Teile aus Europa an Bord sein. So hat die österreichische TTTech Computertechnik AG bei einem Orion-Testflug 2014 Netzwerklösungen geliefert. Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) sei fruchtbar, sagt Gerstenmaier. "Auch mit Russland ist die Kooperation bei der ISS völlig unkompliziert, trotz der politischen Entwicklung."

Bleibt die Frage nach der Finanzierung. "Wenn ich Politikern beschreibe, wie technisch herausfordernd eine Reise zum Mars ist, winken sie ab. Wenn ich aber sage, dass es einfach ist, stecken sie unrealistische Ziele", sagt Gerstenmaier. Die Vision von Menschen auf dem Mars könne nicht mit Begriffen wie Rendite gemessen werden. "Kann der Wert einer solchen Aufgabe, bei der viele Nationen gemeinsam beteiligt sind, überhaupt gemessen werden?" (Robert Prazak, 24.2.2016)