Wien – Die Erwartungen an den Pensionsgipfel der Regierung am kommenden Montag sind bei Therese Niss nicht groß. Wegen des Bundespräsidentenwahlkampfs sei es derzeit offenbar nicht möglich, über Reformen zu reden, meint die Vorsitzende der Jungen Industrie. Daher wäre es aus ihrer Sicht gescheiter, den Gipfel gleich auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Wohin sich die Debatte zuletzt bewegt hat, findet Niss ohnehin problematisch. Vor allem der Vorschlag von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), die Gutschriften auf den Pensionskonten künftig weniger stark aufzuwerten, stößt auf massive Kritik. Er würde dazu führen, dass die Pensionen der noch Erwerbstätigen künftig deutlich niedriger ausfallen – DER STANDARD berichtete.

Umverteilung

Weitere Reformen im Pensionssystem dürften keineswegs zulasten der jüngeren Generation gehen, fordert die Junge Industrie. Bestätigt fühlt man sich durch eine neue Studie des industrienahen Forschungsinstituts Eco Austria. Dessen Chef Ulrich Schuh hat berechnet, wie die einzelnen Jahrgänge von den sechs Pensionsreformen seit 2000 betroffen sind. Schuh spricht von einer "gewaltigen Schieflage und gewaltigen Umverteilung".

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick: Ein Mann, der 1950 geboren wurde und eine durchschnittliche Erwerbskarriere als Angestellter vorweisen kann, darf heute mit einer Pension von brutto 1.796 Euro rechnen. Durch eigene Pensionsbeiträge sind davon nur 1.113 Euro gedeckt, den Rest muss der Staat also aus Steuermitteln zuschießen.

Diese Grafik zeigt, wie die Ansprüche für die einzelnen Jahrgänge nach und nach sinken:

Wer 1970 geboren wurde, darf im Schnitt mit 1.528 Euro Pension rechnen. Wer erst 1989 zur Welt kam, wird nach Preisen des Jahres 2014 weniger als 1.300 Euro bekommen (also 28 Prozent weniger als ein 1950 geborener Mann), danach erfolgt eine Stabilisierung. Der Hauptgrund für dieses Absinken: Mit der Pensionsreform 2003 wurde die Lebensdurchrechnung eingeführt. Es zählen also nicht mehr nur die besten Jahre für die Pension, sondern alle Beitragsjahre.

Frauen noch stärker betroffen

Bei den Frauen kommt noch dazu, dass ihr gesetzliches Pensionsantrittsalter erst zwischen 2024 und 2033 an jenes der Männer angeglichen wird. Das führt dazu, dass die Einschnitte noch drastischer ausfallen.

Eine 1952 geborene Frau, die mit 62 nach einer durchschnittlichen Karriere als Angestellte in Pension geht, hat einen Pensionsanspruch von knapp 1.320 Euro. Wer nach 1970 geboren wurde, darf mit nicht einmal 900 Euro Bruttopension rechnen, ab 1973 sind es sogar weniger als 840 Euro, wie diese Grafik zeigt:

Falls sich die Erwerbskarrieren nicht ändern, werden also viele Frauen, die in den 70er- und 80er-Jahren geboren wurde, unter dem Niveau der Ausgleichszulage (aktuell 882 Euro) liegen. "Gewisse Jahrgänge sind besonders von den bisherigen Pensionsreformen betroffen", erklärt Ökonom Schuh.

Er hat aber auch hochgerechnet, wie sich die Pensionsansprüche über die gesamte Lebenszeit entwickeln werden. Hier zeigt sich: Ein 1950 geborener Mann darf derzeit mit knapp 386.000 Euro Pension bis zu seinem Tod rechnen. Bei den folgenden Jahrgängen steigen die Ansprüche sogar noch etwas – am meisten bekommen die 1956 geborenen Männer, wie die folgende Grafik zeigt. Nur rund 240.000 Euro davon sind durch eigene Beiträge gedeckt, etwa 20.000 Euro entfallen auf Ersatzzeiten, also Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der Kindererziehung.

Die niedrigsten Ansprüche über das gesamte Leben haben Männer der Jahrgänge 1984 und 1985 (weniger als 337.000 Euro). Gleichzeitig ist bei ihnen der Bundeszuschuss pro Kopf am niedrigsten.

Danach gibt es wegen der steigenden Lebenserwartung wieder einen leichten Anstieg bei den Pensionsansprüchen. Ab dem Jahrgang 1995 bleibt die Summe konstant. Der Hintergrund: Schuh hat mit Daten der Statistik Austria gearbeitet, die davon ausgehen, dass ab 2050 die Lebenserwartung nicht weiter steigen wird. Schuh hält das aber für unrealistisch, die Ansprüche der nach 1995 Geborenen könnten also auch noch höher sein.

353.000 für heute 62-jährige Frau

Bei den Frauen zeigt sich wieder ein noch deutlicherer Abfall. Die erwähnte 1952 geborene Frau darf sich aktuell 353.000 Euro bis zum Lebensende erwarten. Eine 1973 geborene Angestellte wird nur mehr knapp 246.000 Euro bekommen, danach gibt es wieder einen leichten Anstieg.

Verteilungsfrage bedenken

Die Conclusio von Schuh und Niss: Die jüngere Generation schultere bereits einen beträchtlichen Teil der bisherigen Pensionsreformen. Wie man konkret betroffen ist, hänge aber stark vom Geburtsdatum ab und "gleicht somit einem Glücksspiel", wie es Schuh formuliert. Die Verteilungsfrage müsse daher bei weiteren Maßnahmen im Pensionssystem stärker bedacht werden. "Bis jetzt waren wir im Blindflug unterwegs." Es bestehe die Gefahr, dass man die jüngere Generation "überstrapaziert".

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Wie stark man von den bisherigen Reformen betroffen war, gleiche einem "Glücksspiel", sagt der Ökonom Ulrich Schuh.
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Für Niss ist klar, dass nicht beim Pensionskonto gedreht werden dürfe, sondern man beim Pensionsantrittsalter ansetzen müsse. Daher brauche man einen Nachhaltigkeitsmechanismus im Pensionssystem, durch den das Antrittsalter an die steigende Lebenserwartung angepasst werde. Auch die frühere Angleichung des Frauenpensionsalters steht bei ihr – im Gegensatz zur ÖVP – noch immer auf der Forderungsliste. Kurzfristig kann sie sich aber auch vorstellen, dass man bei höheren Pensionen in einzelnen Jahren die Anpassung aussetzt. (Günther Oswald, 25.2.2016)