Die 24-Stunden-Betreuung pflegebedürftiger Menschen in Österreich durch osteuropäische Frauen ist ein zentraler Bestandteil des österreichischen Pflegesystems geworden. Nun – so wird die Forderung wiederholt geäußert – soll die Familienbeihilfe für diese EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland sind, gekürzt werden. Auch bei Eric Frey im STANDARD war das kürzlich zu lesen.

Dabei wird jedoch von einem veralteten "Gastarbeiter"-Bild der 70er-Jahre ausgegangen, denn mit dem steigenden Bedarf an Pflege, Haushaltshilfen und Kinderbetreuung in den wohlhabenderen westlichen EU-Ländern wie in Österreich ist die Gastarbeiterschaft zunehmend weiblich geworden.

Bis zu 60.000 Frauen aus Osteuropa (insbesondere Rumänien und Slowakei) arbeiten heute nach dem System der Pendelmigration als 24-Stunden-Betreuerinnen in Österreich und betreuen ältere Menschen in ihrem Zuhause. Nach Beendigung der mehrwöchigen Arbeitsperiode kehren die Betreuerinnen in der Regel sofort in ihr Heimatland zurück. Kaum eine von ihnen – sie sind oft Alleinverdienerinnen – hat die Absicht, sich mit ihrer Familie in Österreich niederzulassen. Zur Familienbeihilfe, um deren Kürzung es geht: Ein Anspruch darauf besteht allgemein nur, wenn auch die Sozialversicherungsbeiträge in der arbeitsfreien Zeit weiterbezahlt werden. Von ihrem Honorar bleiben Pflegerinnen nach Abzug der monatlichen Sozialversicherungsbeiträge (300 Euro) nur rund 750 Euro netto pro Monat. Wenn Eric Frey meint, die Kürzung der Familienbeihilfe hätte den Effekt, dass Kinder nachgeholt werden könnten, ist das pure Illusion.

Wird die Familienbeihilfe in Österreich gekürzt und an die Verhältnisse der Heimatländer angepasst, besteht für Betreuerinnen mit Kindern nur mehr wenig Anreiz, einer Arbeit in Österreich nachzugehen.

Die Familienbeihilfe ist derzeit Teil eines Gesamtpakets, von dem mehrere Personengruppen profitieren: die Frauen und ihre Kinder, außerdem jene Personen im Heimatland, die die Kinder betreuen, und die Pflegebedürftigen in Österreich. Wird nun über die Kürzung einer essenziellen Sozialleistung nachgedacht, sind folgende drei Szenarien realistisch und sollten dringend in der Diskussion mitbedacht werden.

1.) Frauen mit Kindern werden nicht mehr bereit sein, in Österreich Betreuungsarbeit zu leisten. Sie werden in andere reiche EU Länder gehen.

2.) Wenn sie nur ins Sozialsystem einzahlen und dabei das Gefühl haben, zu wenig zurückzubekommen, werden sie die Arbeit in der Illegalität vorziehen.

3.) Wenn ihnen ein wichtiger Teil ihres Einkommens genommen wird, werden die selbstständig tätigen Betreuungskräfte ihre Honorare erhöhen müssen. Das fällt auf die betreuungsbedürftigen Personen in Österreich zurück. (Gudrun Bauer, 29.2.2016)