Die Pointe ist aufgelegt: In Österreich stehen Wahlen vor der Tür, noch dazu mit einer gerontokratisch anmutenden Kandidatenriege. Nie und nimmer, ätzten Kritiker bereits im Vorfeld des Pensionsgipfels, wird sich die Regierung da zu mutigen Reformen durchringen.

Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich so gekommen zu sein, vor allem dann, wenn man die Ergebnisse an den von der ÖVP leichtsinnig geschürten Erwartungen misst. Die Regierung dreht an ein paar Schrauben, bessert da und dort nach. Ein großer Wurf sieht anders aus.

Doch braucht es die ständig geforderte Runderneuerung wirklich? Ehe man das Klischee von der feigen Politik breitwalzt, lohnt sich eine Bestandsaufnahme. Das Pensionssystem ist nicht so unreformiert, wie Alarmisten gerne behaupten. Nach und nach wurden Wege in die Frühpension eingeschränkt, Abschläge verhängt, Leistungen beschnitten – die Kostenprognose für alle Pensionssysteme ist mit einem Anstieg von weniger als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts in 25 Jahren weit von der Apokalypse entfernt. Die ÖVP dürfte sich durchaus rühmen, bei diesen Reformen treibende Kraft gewesen zu sein; seltsamerweise tun viele ihrer Vertreter aber lieber so, als sei nie etwas passiert.

Das heißt nicht, dass alles eitel Wonne ist. Zu bewältigen gilt es vor allem einen Missstand: Viele Menschen haben nicht die Chance, so lange zu arbeiten, wie sich das alle Welt von ihnen wünscht – weil sie nicht durchhalten oder keinen Job haben.

Bitter nötig ist deshalb die beim Pensionsgipfel beschlossene Reform der Rehabilitation für gesundheitlich angeschlagene Arbeitnehmer. Ob die Maßnahmen im Gegensatz zum ersten Anlauf greifen, steht zwar noch in den Sternen; Ignoranz kann man der Regierung in dieser Frage aber nicht unterstellen.

Zumindest gut gemeint sind die Maßnahmen, die vorwiegend Frauen helfen sollen. Der Bonus für längeres Arbeiten etwa ist originell, klingt aber verdächtig nach Minderheitenprogramm. Außerdem werden Anreize allein nicht reichen, um ein Grundübel zu bekämpfen: Viele Firmen versuchen ältere Mitarbeiter(innen) auf Kosten des Sozialstaats loszuwerden.

Das ist der blinde Fleck der aktuellen wie auch vergangener Pensionsreformen: Die Versicherten mussten schon viele Einschnitte hinnehmen, doch die Wirtschaft ist stets außen vor. Während Betriebe in anderen Ländern einen satten Teil der Folgekosten aufgeladen bekommen, wenn Bedienstete etwa in der Invaliditätspension landen, wehren sich die schwarzen Unternehmervertreter hierzulande erfolgreich gegen jede Mitverantwortung. Das geplante Bonus-Malus-System verhandelten sie zur Lachnummer herunter.

Weiteres Versäumnis: Viel Geld wäre zu sparen, wenn das üppige Pensionssystem der Beamten rascher an die allgemeinen Konditionen angepasst wird. Doch die vage Absichtserklärung im Reformpapier signalisiert, dass es beim Konjunktiv bleiben wird. Auch Sozialminister Alois Stöger klang am Morgen nach dem Gipfel diesbezüglich eher wachsweich.

Die Schwarzen wollen sich nicht mit der von den eigenen Parteifreunden dominierten Beamtengewerkschaft anlegen, die Sozialdemokraten nicht mit den Rathausbediensteten des Roten Wien, die besonders lange Übergangsfristen genießen. So wird die raschere Harmonisierung der Pensionssysteme wohl der innerparteilichen Harmonie geopfert. (Gerald John, 1.3.2016)