Wenn ein Mitarbeiter meint, sein Dienstauto, sein Mobiltelefon und sein Notebook würden nicht seinem Rang entsprechen, wird er so lange lästig sein, bis er bekommt, wovon er meint, dass es ihm zustünde. Die Gründe dafür sind Millionen Jahre alt.

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"Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles" wusste schon Johann Wolfgang von Goethe und ließ dies Margarete, angesichts des von Mephisto ins Zimmer geschmuggelten Schmucks, reimen. Aber warum ist das so? Warum wollen die Menschen immer mehr vom immer Besseren?

Nahrung und Fortpflanzung im Hinterkopf

Wir Evolutionsbiologen sehen im Streben nach Reichtum ein prinzipielles Streben nach besserem Ressourcenzugang. Um welche Ressourcen kann es sich in der Savanne vor Millionen Jahre gehandelt haben? An erste Stelle stand und steht immer noch die Nahrung. Wer den besseren Zugang zu höherwertiger Nahrung hat, lebt vermutlich länger und gesünder. Eine weitere Ressource ist die Möglichkeit, sich fortzupflanzen. Wer den besseren Zugang zum anderen Geschlecht hat, hat einen höheren Fortpflanzungserfolg.

Bei Schimpansen ist es ganz selbstverständlich, dass das Alphatier als erster an das Futter heran darf, und dass das Alphatier auch als erster oder auch einziger an die Weibchen heran darf. Löwenmännchen sehen das nicht anders, beteiligen sich jedoch nicht einmal mehr an der Jagd.

Status und Ansehen

Um einen wesentlichen Antreiber speziell männlichen Verhaltens zu verstehen, hilft es, den Begriff des sozioökonomischen Status zu erklären. Mit diesem Begriff wird der Status eines Menschen innerhalb seiner Gesellschaft beschrieben. Die dazu relevanten Merkmale (Einkommen, Besitz, Macht, Ansehen des Berufs, …) werden gebündelt und aufgerechnet. So hat zum Beispiel ein Hausarzt trotz seines kleineren Einkommens einen höheren sozioökonomischen Status als ein Börsenspekulant, der in der Regel weniger Ansehen genießt, obwohl er mehr verdient als ein Chirurg.

Prinzipiell ist Status für Menschen aus einem ganz simplen Grund attraktiv: Status ermöglicht einen einfacheren Zugang zu Ressourcen, welcher Art auch immer diese sein mögen: Geld, Informationen, Mitmenschen – und in Folge Macht, Einfluss, Sicherheit, Gesundheit und gesunde Nachkommen.

Sehen und gesehen werden

Der sozioökonomische Status ist in der Regel gut sichtbar. Wer ihn hat, zeigt ihn gerne. Dazu verwenden die Menschen Statussymbole. Dass man über Statussymbolik seine Mitmenschen auch täuschen kann, liegt leider in der Natur der Sache.

Trivial, aber allgegenwärtig: Wer ganz oben ist, muss das auch zeigen. Wer hat den leichtesten Laptop im Unternehmen? Wer hat stets das modernste Mobiltelefon mit dem größten Display in der Agentur? Wer hat den Parkplatz am Eingang samt Reserviert-Schild, gut sichtbar für alle anderen Mitarbeiter? Wer fährt das imposanteste Auto? Wer trägt den teuersten Anzug, schreibt mit der exklusivsten Feder und holt seine Visitenkarten aus einem Silberetui? Wessen Schreibtisch ist größer, massiver, holziger? Wer hat den größten Bildschirm darauf stehen, wenn nicht gleich zwei? Wer hat die eigene Toilette?

Wenn Mitarbeiter protzen

Spannend ist zu erleben, wie wichtig Mitarbeitern diese Statussymbole sind. Gehälter sind oft diskret, aber die Gadgets, die Symbole des Status, die müssen stimmen. Um diese herrscht in Unternehmen oft Krieg. Wenn ein Mitarbeiter meint, sein Dienstauto, sein Mobiltelefon und sein Notebook würden nicht seinem Rang entsprechen, wird er so lange lästig sein, bis er bekommt, wovon er meint, dass es ihm zustünde. Natürlich können Führungskräfte, die ihre Hände auf diesen Ressourcen haben, damit auch gezielt steuern. Wer bekommt das Leckerli, das er dann sichtbar für alle durch das Unternehmen führt? Wer bekommt beim Abteilungsgeburtstag nur eine Schachtel Gute-Laune-Tee und wer eine Flasche raren Single Malts? Die meisten Auseinandersetzungen in Unternehmen fußen auf Neid und dem Gefühl, nicht ausreichend und für die Kollegen gut sichtbar "geschätzt" zu werden.

Wie die Affen,...

Der absolute Wahnsinn bricht aus, wenn ein Unternehmen übersiedelt und die neuen Räume und Arbeitsplätze vergeben werden. Diese Momente des Chaos sind für Niederrangige willkommene Möglichkeiten, schnell einen besseren Platz als zuvor zu erhaschen. Und für eingesessene Hochrangige ist es dann oft mühsam, darauf aufmerksam machen zu müssen, dass der gute Arbeitsplatz im Raum eigentlich ihm zustünde. Mit welchem Recht – diese Frage steht dann im Raum und jeder ziert sich, diese zu beantworten. "Weil wir eben immer noch Affen sind … traut sich ja keiner zuzugeben. (Gregor Fauma, 7.3.2016)