Ob Religion, Rassismus oder Sex. "Wir sprechen über die dringendsten Anliegen der Jugendlichen", sagt Jugendbetreuer Philipp Kastenhuber.

Foto: jugendzone 16

Aus einer großen silbernen Kanne wird Schwarztee in weiße Tassen eingeschenkt. Acht Burschen und zwei Jugendbetreuer sitzen um einen Tisch. Es ist Donnerstag, das wöchentliche Ritual des Teetrinkens läutet die Burschen-Teerunde in der Jugendzone 16 in Wien-Ottakring ein. "Egal ob über Arbeitssuche, Religion, Rassismus, Sex oder Familie – wir sprechen über die dringendsten Anliegen der Jugendlichen und über gesellschaftliche Themen, die sie tangieren", sagt Jugendbetreuer Philipp Kastenhuber.

Diesmal auf dem Tagesprogramm: die neueste Studie des Familienministeriums, die die Jugendlichen künftig in sechs Gruppen teilen und dementsprechend die Jugendpolitik neu ausrichten möchte. Kastenhuber zählt die Gruppen auf: "Hedonisten, digitale Individualisten, Adaptiv-Pragmatiker, Konservativ-Bürgerliche, Performer und Postmaterielle." Der immer zum Scherzen aufgelegte Djordje* wirft ein: "Ich verstehe kein Doktorisch." Der gegenübersitzende Ramsan fragt höflich: "Können Sie das in unsere Sprache übersetzen?"

"Was tun Politiker für uns?"

Kastenhuber nimmt sich Zeit. Er erklärt den 14 bis 19 Jahre alten Jugendlichen die Begriffe und wie die Studie zustande kam. "Findet ihr euch in einer dieser Gruppen wieder?", fragt er in die Runde. Die Burschen denken nach, antworten will keiner. In welche Gruppe die Jugendministerin sie einteilen würde, ist dem Jugendbetreuer offensichtlich bewusst. Er spricht über die Hedonisten, die in der Studie auch als "konsumorientierte Unterschichten" bezeichnet werden, und darüber, dass diese Aufholbedarf bei Gesundheit und Ernährung hätten.

Auch wie die Ministerin diese Defizite auszugleichen gedenkt, wird thematisiert. "Die Jugendministerin denkt, dass durch gemeinsames Kochen in Jugendzentren die Situation verbessert werden könnte", sagt Kastenhuber. "Das machen wir eh schon seit Jahren", entgegnet Bayram. Ramsan spielt nervös mit seiner "Tschetschenien-Mütze" und fragt: "Was wollen die Politiker in der Zukunft für uns tun?"

Schnell erwachsen geworden

Für Kastenhuber ist die Einteilung wenig zutreffend, er begegnet täglich vielen Jugendlichen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. "In den letzten Monaten sind einige der Jungs schnell erwachsen geworden. Während der Hochphase der Flüchtlingskrise haben viele am Westbahnhof ausgeholfen, sei es beim Übersetzen oder anderweitig."

Die Jugendlichen wechseln das Thema zu ihrem einmal monatlich selbstständig produzierten Burschenblatt. In dem einseitigen Otkorrespondent stehen die wichtigsten Dinge, die sie interessieren. Kochen und gesunde Ernährung sind in der Februar-Ausgabe nicht zu finden. Das meiste Interesse weckt das "Wissensrätsel des Monats". "Die Wissbegierde ist unter den Burschen hier im Jugendzentrum genauso groß wie unter anderen Jugendlichen", sagt Kastenhuber. Den Rest der Teestunde verbringt die Runde mit munterem und lautem Rätselraten. (Siniša Puktalović, 11.3.2016)