Seinen Wahlsieg hat sich Premier Robert Fico wohl anders vorgestellt. Mit mehr als 28 Prozent der Stimmen blieb Ficos Linkspartei Smer bei der Parlamentswahl am Samstag zwar klar stärkste Kraft, aber weit hinter den Erwartungen zurück. Die nun entstandene komplizierte Gemengelage ist bitter für das Land – und eine weitere Hiobsbotschaft für all jene Europäer, die angesichts globaler Probleme ihr Vertrauen lieber in gemeinsame Lösungsversuche setzen statt in nationale Alleingänge: Wenn die Slowakei im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, dann wird eine vermutlich notdürftig zusammengebastelte Regierung einem völlig zersplitterten Parlament verantwortlich sein, in dem unter anderem die rechtsradikale "Volkspartei Unsere Slowakei" von Marian Kotleba sitzt.

Ficos Kardinalfehler war es, die europäische Flüchtlingskrise vor seinen politischen Karren zu spannen. Als Linkspolitiker hätte er die Chance, ja sogar die Pflicht gehabt, sich den tatsächlichen sozialen Problemen im Land zu widmen – vor allem der Unterfinanzierung des öffentlichen Sektors und den immer noch vergleichsweise niedrigen Löhnen. Der Massenexodus von Krankenschwestern, lähmende Lehrerstreiks und die Abwanderung junger, gutausgebildeter Menschen sollten für einen Sozialdemokraten, dessen Partei vier Jahre lang mit absoluter Mehrheit regiert, ein lohnendes Betätigungsfeld darstellen.

So zumindest würde es den Idealen der europäischen Sozialdemokratie entsprechen, der Ficos Smer wenigstens formal angehört. Vor allem wenn – wie in der Slowakei – das Wirtschaftswachstum stabil ist, die Arbeitslosigkeit sinkt und das Budgetdefizit unterhalb der Maastricht-Grenze liegt. Stattdessen hat Fico auf Populismus gesetzt und ein Problem in den Mittelpunkt des Wahlkampfs gestellt, das man im Fall der Slowakei getrost als virtuell bezeichnen darf.

169 Asylanträge wurden im vergangenen Jahr gestellt, Flüchtlinge kommen im Alltagsleben der allermeisten Menschen überhaupt nicht vor. Fico jedoch spielte mit der Angst vor den offenen Grenzen, die sich die Slowaken vor 1989 jahrzehntelang erträumt hatten, und mit der Angst vor der eigenen Courage – jener Courage, die 2004 den demokratisch beschlossenen Weg nach Europa öffnete.

Offenbar wollte Fico mit dem Smer-Slogan "Wir schützen die Slowakei" seinen Amtsbonus ins Spiel bringen. Verunsicherte Wähler, so das Kalkül, würden dem erfahrenen Regierungschef, der seit Jahren in Brüssel ein und aus geht, diesen "Schutz" eher zutrauen als rechtsradikalen potenziellen Krawallmachern.

Die Rechnung ist nur zum Teil aufgegangen. Viele waren offenbar nicht der Meinung, dass Fico der Schmied sei und alle anderen bloß die Schmiedel. Sie fanden ihren Schmied stattdessen in einer der Protestparteien – oder gleich im Nationalisten Kotleba.

Vielleicht ist der slowakische Katzenjammer ja immerhin ein Warnruf für andere. Zum Beispiel für Bohuslav Sobotka, den sozialdemokratischen Premier Tschechiens. Sobotka hat im Gegensatz zu Fico die beschlossene (und noch kaum umgesetzte) EU-Quote zur Aufteilung von Flüchtlingen akzeptiert und geht immer wieder zu den xenophoben Aussagen von Präsident Milos Zeman auf Distanz. Innenpolitisch steht er deshalb unter Druck. Das Beispiel Fico zeigt, dass die nationale Karte zwar vielleicht sticht, aber einen Pyrrhussieg einbringen kann, der der Partei, dem Land und Europa schadet. (Gerald Schubert, 6.3.2016)