Die Stufen runter, die Straße rüber, schon sind Ambulanzpatienten beim Erstversorgungszentrum. Was vom Gesetzgeber gewünscht ist, erweist sich als ideal – auch für den Hauseigentümer.

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Wien – Die Bedeutung der äußeren Schiebetür des Donauspitals ist nicht zu unterschätzen – für Patienten, die sich dort eine Rauchpause gönnen. Aber auch für Interessenten, die sich für das jetzt im vierten Anlauf erfolgreich ausgeschriebene Primary-Health-Care-Pilotprojekt (PHC) beworben haben. Sieht doch die Ausschreibung ziemlich exakt vor, dass ein solches Erstversorgungszentrum – eine Art Gruppenpraxis von Allgemeinmedizinern und anderen Gesundheitsberufen bei stark erweiterten Öffnungszeiten und fachlichen Schwerpunkten – "im Umkreis von 170 Metern des Haupteingangs SMZ-Ost" liegen soll: "Als genaue Lokalisation dient die äußere Schiebetür."

220 Euro pro Quadratmeter

Glücklich also, wessen Haus genau diesen Anforderungen entspricht und über freie Flächen verfügt. Bei Michael Bulla ist beides der Fall. Der Zahnarzt und Kieferchirurg sicherte sich im Jahr 2012 das Baurecht auf jenem 1555-Quadratmeter-Grundstück, das seine Frau bereits im Jahr davor von der Stadt Wien gekauft hat. Frau Bulla wurde der Quadratmeter mit 220 Euro verrechnet, was zu einem per Sachverständigen festgelegten Kaufpreis von 330.000 Euro führte. Für den Fall, dass Familie Bulla es sich anders überlegt hätte und auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet, das "ganz oder teilweise nicht für medizinische oder soziale Zwecke" genutzt wird, müsste sie innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren ganze 80 Euro pro Quadratmeter aufzahlen – so sieht es der Kaufvertrag vor, der dem Standard vorliegt. Derzeit bezieht die Oberbank eine Filiale im Erdgeschoß des Gebäudes.

Ob der Preis angemessen war, lässt sich nicht eindeutig klären. Der Quadratmeterpreis für Betriebsansiedlungen in der Donaustadt wird vom WKÖ-Immobilienpreisspiegel zwischen 200 Euro bei einfachem Nutzungswert und 330 Euro bei sehr gutem Nutzungswert angegeben.

Kein Bieterverfahren

Familie Bulla gab in weiterer Folge zur Bewertung des Baurechtszinses ein Gutachten der Kanzlei Spiegelfeld & Wohlgemut in Auftrag. Die Experten gehen aufgrund der "Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln" (die U2 fährt direkt am Fenster vorbei) von 460 Euro pro Quadratmeter – und damit mehr als der doppelten Summe des einst von der Stadt Wien berechneten Kaufpreises – aus: macht 715.300 Euro.

Ging hier also öffentlicher Grund zum Schnäppchenpreis an einen gut informierten Privaten? Der Verkauf sorgte jedenfalls bereits 2008 für Aufregung im Gemeinderat. Die Opposition kritisierte, dass die Stadt den Verkauf des Grundstücks nicht ausgeschrieben hatte. Rechtlich muss sie das auch nicht. Ob Bestbieterverfahren oder Liegenschaftstransaktion mit Gemeinderatsbeschluss werde von Fall zu Fall entschieden, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). Hat die Stadt Nutzungsvorstellungen über die Fläche, wird der Verkauf ohne Ausschreibung durchgezogen.

"Ideales Objekt"

Auch im konkreten Fall gab es kein Bieterverfahren, der Käufer sei als "Interessent für die Liegenschaft mit klarer Nutzungsabsicht" an die Stadt herangetreten. "Die Interessen haben sich mit jenen der Stadt gedeckt", heißt es.

Heute betreibt der Zahnarzt, der zuvor als Oberarzt im gegenüberliegenden Donauspital tätig war, dort eine Dentalklinik, die zur Entlastung der Zahnambulanz dienen soll. Im selben Haus befindet sich auch ein Kompetenzzentrum für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und die Jugendzahnheilkundeambulanz für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen. Das betreibt der Krankenanstaltenverbund (KAV), der dafür bei Bulla eingemietet ist. Über die Höhe der Miete gibt man beim KAV keine Auskunft.

Warum das Ärztezentrum nicht gleich von der Stadt Wien errichtet und einem Betreiber zur Verfügung gestellt wurde? Eine Antwort darauf bleibt aus, jedenfalls: Man habe das Modell des Primärversorgungszentrums gewählt, um die Ambulanzen zu entlasten, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Das Objekt sei dafür ideal. Das sieht auch die Wiener Gebietskrankenkasse so. Obfrau Ingrid Reischl geht fix davon aus, dass das neue PHC auf dem Rohdachboden von Herrn Doktor Bulla unterkommen wird.

Ärztekammer kritisiert Monopolstellung des Anbieters

Der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres fürchtet ob einer solchen "Monopolstellung eines Anbieters um die finanzielle Belastung für den einzelnen Arzt". Er betont: "Der Wunsch, die 170 Meter in die Ausschreibung hineinzunehmen, ist nicht von uns gekommen." Die Vorstellung der WGKK hat man aber mitgetragen.

Michael Bulla selbst will keinen Einblick in die Modalitäten des PHCs geben, diese würden aktuell verhandelt, schreibt er in seiner Stellungnahme. Könnte nur noch etwas dazwischenfunken: Die insolvente Supermarktkette Zielpunkt hatte weniger als 170 Meter vom Spitalseingang entfernt eine Filiale. Sie steht derzeit leer. (Marie-Theres Egyed, Karin Riss, 8.3.2016)