Sozialminister Stöger sieht keinen Änderungsbedarf bei den neuen Zuverdienstregeln für Pensionisten.

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Wien – Die Kritik aus den eigenen Reihen machte offenbar Eindruck: Nach dem Ministerrat deuteten die Regierungsspitzen an, dass die geplante Ruhensbestimmung für Pensionisten die anstehenden Detailverhandlungen in aktueller Form nicht überleben könnte. Man wolle Menschen länger in Beschäftigung halten, sagten Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, dabei aber niemanden bestrafen.

Als eine solche Strafe hatten rote und schwarzen Pensionistenvertreter eine Maßnahme im Pensionspaket der Regierung aufgefasst. Vereinfacht erklärt: Wer eine Alterspension bezieht, aber gleichzeitig mehr als rund 880 Euro im Monat dazu verdient, dem droht eine Pensionskürzung. Betroffen wären laut Zahlen des Sozialministeriums zu 60 Prozent Selbstständige: Derzeit arbeiteten 12.000 Alterspensionisten in der für die Regelung relevanten Altersgruppe nebenbei, 7.500 davon seien Freiberufler.

Für die ÖVP ist diese Klientel nicht ganz unwichtig. Parteichef Mitterlehner sieht die Causa denn auch als eine Art Betriebsunfall: In der hitzigen Endphase der Verhandlungen sei der Passus nicht mehr ausreichend diskutiert worden. Geht es nach dem Vizekanzler, dann wird die Regelung ersatzlos gestrichen – und dabei, heißt es aus der ÖVP, sei er sich mit Faymann grundsätzlich einig.

Minister Stöger verteidigt Verschärfung

Das gilt allerdings bei weitem nicht für alle SPÖler. Während Pensionistenchef Karl Blecha im STANDARD Kritik geübt hat, verteidigt Sozialminister Alois Stöger die Regelung ebenso wie Arbeiterkammerdirektor und Kanzlerberater Werner Muhm, der sich eine Spitze nicht verkneifen will: "Der Kollege Blecha" sei in der Vorbesprechung zum Pensionsgipfel dabei gewesen – "Einwand hat er keinen erhoben."

Muhm argumentiert so: Immerhin finanziere der Staat die Pensionen der Selbstständigen zu 50 Prozent aus Steuergeld, da sei eine Einschränkung legitim, um einen späteren Pensionsantritt zu fördern. Er selbst werde im April 66 Jahre alt, ergänzt er: "Ich mag mir den Aufschrei in den Medien nicht vorstellen, hätte ich bereits ein Jahr lang neben meiner Arbeit die Pension bezogen."

Was Muhm noch einwendet: Ohne Ruhensbestimmung werde der neue, aus einer Halbierung der Versicherungsbeiträge bestehende Bonus für all jene, die über das Regelpensionsalter von 65 (Männer) bzw. 60 Jahren (Frauen) hinaus arbeiten und dabei den Pensionsbezug aufschieben, wenig bringen. Schließlich sei es auf kurze und mittlere Frist attraktiver, neben dem Job die Pension zu beziehen.

Empörung beim Seniorenrat

Der überparteiliche Seniorenrat ist hingegen empört. "Das ist eine Strafaktion, die uns wirklich erbost hat und wir werden alles tun, um das wieder zu ändern", sagte die Seniorenratspräsidentin und Obfrau des ÖVP-Seniorenbunds, Ingrid Korosec, am Dienstag.

Auch der Vizepräsident des SPÖ-Pensionistenverbands, Rudolf Edlinger, sprach in Vertretung des erkrankten Präsidenten Karl Blecha von einer "sozial ungerechtfertigten" Regelung, die "wir absolut ablehnen". Er führte vor allem das Argument an, dass Beamte weiterhin "dazuverdienen können, was sie wollen", und die Kürzung damit der Harmonisierung der Pensionssysteme widerspreche. Beide zeigten sich überzeugt, die Maßnahme noch aufhalten zu können. Es würden bereits Gespräche mit Regierungsvertretern stattfinden.

Verschärfungen bei Bonus-Malus gefordert

Laut den Beschlüssen des Pensionsgipfels Ende Februar entfallen für drei Jahre nach dem gesetzlichen Antrittsalter, also bei Frauen bis 63 und bei Männern bis 68 die Pensionsversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und Dienstgeber bis zur Hälfte. Allerdings ist es nicht mehr möglich, neben der Pension voll dazu zu verdienen. Ebenfalls für die ersten drei Jahre nach dem gesetzlichen Antrittsalter bekommt man nur noch die Pension bis zur Höhe der Ausgleichszulage (oder je nach weiteren Verhandlungen Geringfügigkeitsgrenze) zur Gänze. Alles was darüber hinausgeht, wird bis maximal zur Hälfte angerechnet, das heißt nicht ausgezahlt.

Die Seniorenvertreter kritisierten außerdem, dass einige Fragen beim Pensionsgipfel gar nicht behandelt worden seien, darunter die Aliquotierung der Pensionsanpassung, der Pensionssicherungsbeitrag im öffentlichen Dienst, die Evaluierung der Pensionskassengesetz-Novelle und die Negativsteuer für Ausgleichszulagenbezieher.

Nicht weit genug geht ihnen das Bonus-Malus-System, mit dem ältere Beschäftigte länger im Arbeitsmarkt gehalten werden sollen. Sowohl Bonus auch Malus müssten kräftiger ausfallen und bereits 2017 in Kraft treten. Begrüßt wurde die Reform der Pensionskommission, die verkleinert werden soll. "Es wurde bereits fixiert, dass Senioren- und Jugendvertreter in dem Gremium vertreten sein werden", freute sich Korosec, die am Montag einstimmig zur Nachfolgerin des nunmehrigen Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol als zweite Präsidentin des Seniorenrates neben Blecha gewählt wurde.

IG Autorinnen fordert Ausnahme für Künstler

Kritik übte am Dienstag auch die IG Autorinnen: In einer Aussendung verwies die Künstlervertretung darauf, dass für Kunstschaffende im Alter Einnahmen aus Tantiemen und Lizenzen "existenziell wichtig" seien. "Grundlage dieser Einnahmen sind Leistungen, die oft Jahrzehnte vor dem Pensionsantritt erbracht worden sind", heißt es in der Aussendung. "Derartige Einnahmen dürfen daher auf gar keinen Fall pensionsmindernd sein!"

Die IG Autorinnen verweist darauf, dass Künstler sich ihre künstlerische Tätigkeit zeitlebens selbst finanzieren würden – "größtenteils durch Neben-, Lehr- und Brotberufe. Wenn wir in der Pension weiter künstlerisch tätig sind und ein Einkommen erwirtschaften, sollen wir erneut benachteiligt werden. Dabei ist ein solches Einkommen sehr oft überlebensnotwendig." Denn die Pension alleine reiche nicht. Daher fordert die IG Autorinnen die "sofortige Herausnahme dieser Pensionskürzungsabsicht für alle künstlerischen Tätigkeiten und Berufe".

Neos empfehlen Schelling Rücktritt

Breiter legen die Neos ihre Kritik an. In einer Sondersitzung im Nationalrat schoss sich die Oppositionspartei auf Finanzminister Hans Jörg Schelling ein, der vom Hoffnungsträger zum Rücktrittskandidaten mutiert sei: Sämtliche Reformpläne seien in vagen "Kaugummi"-Absichtserklärungen verschwunden, wetterte Sozialsprecher Gerald Loacker und diagnostizierte "100-prozentiges Versagen". "Selbstverständlich habe ich mir mehr erwartet", räumte Schelling ein, aber: Er werde Jahr für Jahr von neuem auf nötige Pensionsreformen drängen. (Gerald John, APA, 8.3.2016)