Die Entscheidung von Polens Regierung, das Urteil des Verfassungsgerichts über seine eigene Funktionsweise zu missachten, ist ein weiterer Schritt in Richtung Eskalation. Wie dabei eine politisch und rechtlich heikle Frage vom Tisch gewischt wurde, erscheint aus demokratiepolitischer Sicht geradezu fahrlässig.

Hintergrund war und ist der Versuch, dem Verfassungsgericht einige Zähne zu ziehen – zum Beispiel durch eine erschwerte Beschlussfassung. Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die mit absoluter Mehrheit regiert, bekäme dann noch weniger Gegenwind.

Nun das Verfassungsgericht zu ignorieren, das genau diese Änderungen für verfassungswidrig erklärt hat, ist mehr als nur eine neue Runde in einem alten Streit. Es hebt den Konflikt quasi auf eine Metaebene: Den Höchstrichtern vorzuwerfen, ihr Spruch sei irrelevant, weil er nicht auf Basis des Regelwerks zustande kam, das sie soeben als verfassungswidrig bezeichnet hatten, ist eine bewusste und gefährliche Ausreizung der Grenzen des Rechtsstaats.

Gerne beruft sich die PiS auf den Volkswillen. Zur Demokratie gehört aber auch Kontrolle. Kritik aus Brüssel wurde bisher als "Einmischung von außen" zurückgewiesen. Doch auch im Inland hat jene Bürgerbewegung Zulauf, die für stabile Verhältnisse im Land sorgen will – Kontrollinstanzen inklusive. Eine Regierung, die diese Aufgabe nicht selbst übernimmt, sägt an dem Ast, auf dem sie sitzt. (Gerald Schubert, 10.3.2016)