Momentaufnahmen für die Ewigkeit: Tav Falcos Porträt des Soulsängers James Carr, diesem Fels im Tränenmeer des Seins.

Foto: Lukas Friesenbichler

Schnappschüsse und inszenierte Aufnahmen. Mit dieser Mischung aus Lebendigkeit und Momenten der Trägheit gibt der in Wien lebende US-Musiker, Filmemacher und Fotograf Tav Falco Einblicke in das soziokulturelle Biotop seiner Jugend in Memphis. Bevor Gustavo Antonio Falco selbst zur Gitarre griff, glitt er als Fotograf in die (Sub-)Kulturen des US-amerikanischen Südens der 1970er-Jahre. Der limitiert aufgelegte Bildband An Iconography of Chance – 99 Photographs of the Evanescent South ist eine Auslese seiner Bilddokumente, versehen mit knappen, oft augenzwinkernden Beschreibungen. Die Hitze, der Staub, Landstraßen, alte Autos, Tankstellen, Diner im Nirgendwo – ihnen gibt Falco jene Bedeutung zurück, die diese oft schon verschwundenen Fixpunkte des Lebens im amerikanischen Süden einst besaßen. Porträts von lokaler Prominenz, halbseidenen Tunichtguten oder weltberühmt gewordenen Lokalmatadoren erfüllen seine Zeilen mit Leben. Das ergibt eine Landkarte von Memphis und seinem Umland, die es trotz ihrer Diversität, als eine gemeinsame Szene wirken lässt. Milieus scheinen zu verschmelzen, neue Konstellationen entstehen. Und sei es nur für eine Nacht, für die Dauer eines Bourbons, für den Moment, in dem ein Mann wie James Carr mit verlorenem Blick ein Loch in den Boden des Mississippi-Ufers bohrt. (flu, Album, 14.3.2016)