Mary Pickford und Frances Marion am Set von "The Love Light", 1921.

Foto: Mary Pickford Foundation

Porträt der ersten Filmregisseurin Alice Guy (1873-1968).

Foto: Filmarchiv Austria

Hollywoods Filmindustrie lässt sich viel Zeit, wenn es darum geht Geschlechterungerechtigkeiten aus dem Weg zu räumen. Berichte, Studien und Statistiken zeugen regelmäßig von wenig ausgewogenen Geschlechterverhältnissen in der Branche. Dieses Missverhältnis lässt sich sowohl am Gender Pay Gap, als auch am unverhältnismäßig hohen Anteil an Männern in den unterschiedlichen Bereichen – wie etwa in Produktion, Regie, Kamera etc. – festmachen. Frauen führen in nur sechs Prozent der heute in Hollywood produzierten Filme Regie, wie der Guardian kürzlich berichtete. Das war nicht immer so. Im Hollywood der Stummfilmära spielten Frauen entscheidende Rollen als Produzentinnen, Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen.

Die Columbia University will nun mit einem Web-Projekt bedeutende Frauen der Filmgeschichte aus der Vergessenheit holen. "Women Film Pioneers" heißt die Online-Datenbank, die Biografien hunderter Filmfrauen versammelt. Damit wird eine Geschichte des Kinos erzählt, in der Frauen vor allem hinter der Kamera führende Positionen innehatten und in der die Geschlechterverteilung im Vergleich zu heute relativ ausgeglichen war.

Wie Frauen Filmgeschichte schrieben

So waren Frauen von Anfang an Teil der Filmgeschichte. Alice Guy (1873–1968) begann gleichzeitig mit Georges Méliès und den Brüdern Lumiére Filme zu machen. Ihr erster Film La Fee aux Choux entstand 1896. Sie war erfolgreiche Regisseurin und Produktionsleiterin bei der Gaumont-Filmproduktion in Frankreich. 1907 zog sie in die USA, gründete dort ihre eigene Produktionsfirma Solax. Sie führte bei über 700 Filmen Regie oder produzierte diese. Ihr letzter Film "Tarnished Reputations" kam 1920 heraus.

Oder Mary Pickford, die ab 1916 mit ihrer Firma, der Mary Pickford Film Corporation, als Produzentin eine Hauptfigur in Hollywoods Gründerzeit darstellte. Gemeinsam mit Charlie Chaplin, D.W. Griffith und Douglas Fairbanks senior gründete sie 1919 den unabhängigen Filmvertrieb United Artists. Als Stars des frühen Kinos wurden auch die Regisseurinnen Lois Weber oder Dorothy Arzner gefeiert. Letztere begann als Stenographin in der Drehbuchabteilung von Famous Players zu arbeiten. In der Umbruchphase vom Stummfilm zum Tonfilm war sie als Cutterin und Regisseurin sehr erfolgreich.

"Frauen erobern das Filmreich"

Bereits im Jahr 1915 veröffentlichte das Motion Picture Magazin einen Artikel mit der Überschrift: "Frauen erobern das Filmreich" ("Women’s conquest in filmdom"). Darin war zu lesen, dass Frauen in allen Sektoren der Filmbranche – vom Kinobetrieb, über die Studios und selbst in Vertrieb und Verkauf – auffallend zahlreich beschäftigt waren: "In keiner anderen Branche ist die faire Verteilung zwischen Männern und Frauen so ausgeprägt wie hier", war damals zu lesen.

Hundert Jahre später kann von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis nicht mehr die Rede sein. Doch warum, müssen die vielen Frauen, die das Kino der 1910er und 1920er Jahre auf allen Ebenen mitbestimmt haben, immer wieder neu entdeckt werden?

Schon in den 1930er Jahren wurde Film zur Männerdomäne. Das Filmgeschäft wurde lukrativer und das neu entstandene Studiosystem verdrängte die Frauen für lange Zeit aus den entscheidenden Rollen. Und so dauerte es bis zum 21. Jahrhundert, dass der erste Oscar für die beste Regie an eine Frau verliehen wurde: 2010 erhielt Kathryn Bigelow für "The Hurt Locker" den Preis. (Christine Tragler, 15.3.2016)