Angela Merkel hat in mehr als zehn Jahren ihrer Kanzlerschaft schon viele EU-Gipfel erlebt, bei denen sie wegen ihrer Position auf heftigen Widerstand stieß. So war das etwa 2010 zu Beginn der Eurokrise und der ersten Hilfsprogramme für Pleitestaaten wie Griechenland. Die deutsche "Eiserne Lady" sei "isoliert", hieß es in den nächtelangen Verhandlungen, sie treibe die Partner, die Südländer (und Frankreich) zur Weißglut.

Zuletzt wiederholte sich das im vergangenen Juli, als es um einen drohenden "Grexit", den Austritt Griechenlands aus dem Euroraum, ging. Aber Merkel lenkte am Ende ein. Irgendwie gelang es ihr doch immer wieder, diesen verrückten Haufen von 28 EU-Staaten mit so widersprüchlichen Interessen zusammenzuhalten.

Nur als sie (mit Frankreichs Präsident François Hollande) in einem 24-Stunden-Marathon dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Minsk-Vereinbarung zur Ukraine abrang, war ihr ungeteilter Applaus sicher.

Beim jüngsten EU-Türkei-Gipfel zur Flüchtlingskrise scheint die Kanzlerin in aussichtsloser Position. Sie umschmeichelt die Türkei trotz der Grundrechtsverletzungen. Im Gegenzug liegt sie mit fast allen Partnern im Clinch, weil sie öffentlich nicht sagen will, dass es mit dem unbegrenzten Zuzug von Flüchtlingen auch nach Deutschland vorbei ist. Die EU und ihre Staaten treffen alle Maßnahmen, um die Union abzuriegeln. Merkel genießt und schweigt. (Thomas Mayer, 16.3.2016)