Die Schätzungen der Forschung belaufen sich heute auf einen Anteil des Neandertalers von ein bis vier Prozent an der DNA von Menschen europäischer und asiatischer Abstammung.

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Dass Robert Lugar Frauenrechte vorgeblich ein Anliegen sind, entspricht der Parteilinie, schließlich hielt schon sein Chef Frank Stronach im vergangenen Sommer zum Thema Frauen fest: "Sie sind Menschen wie wir." Dass der Klubobmann Lugar des Teams Stronach die Verteilung von Pfefferspray vor dem Parlament für eine passende Aktion zum internationalen Frauentag hält, passt ebenfalls durchaus zu den vielzitierten "Werten" der Partei.

Dass Lugar jedoch Flüchtlinge mit Neandertalern gleichsetzt, hat weder mit einem Einsatz für Frauenrechte zu tun, noch ist es sonderlich intelligent, sondern vielmehr rassistisch beziehungsweise in diesem Fall speziesistisch.

Schwer zu sagen, wie Lugar auf die Idee kommt, die Neandertaler hätten "Frauenrechte mit Füßen getreten". Vermutlich spielte Emanzipation in der Welt der Neandertaler eine vorsichtig formuliert nachrangige Rolle, inwieweit sie sich diesbezüglich von ihren Sapiens-Zeitgenossen unterschieden haben sollen, bleibt der Hobbyanthropologe schuldig.

Antiquiertes Bild

Mit seinen Aussagen beweist Lugar, dass er von Themen spricht, von denen er keine Ahnung hat. Er tradiert ein antiquiertes Bild vom unkultivierten, grobschlächtigen Neandertaler. Doch Homo neanderthalensis verfügte im Vergleich zu Homo sapiens im Schnitt über ein größeres Gehirnvolumen. Er verwendete Werkzeuge und Jagdwaffen, stellte Schmuck her und bestattete seine Toten. Vermutlich benutzte er sogar bereits Boote und kannte Methoden zur Haltbarmachung von Fleisch.

Aus Israel stammt der Fund eines Zungenbeins eines Neandertalers. Damit ist belegt, dass die Neandertaler über die wichtigste anatomische Voraussetzung zum Sprechen verfügten, eine Fähigkeit, die allerdings nicht zwingend positive Auswirkungen hat, wie der Fall Lugar deutlich macht.

Dass "wir" die Neandertaler ausgerottet hätten, wie Lugar behauptet, lässt sich wissenschaftlich auch nicht klar bestätigen. Bei den Zusammentreffen zwischen Neandertaler und Sapiens hat es mit Sicherheit immer gemenschelt, was niemanden überraschen sollte. Es wird zu Konflikten gekommen sein. Nachweislich kam es allerdings zu einer Vermischung der beiden Hominidenarten. Der genetische Austausch zwischen dem Sapiens und dem Neandertaler fand an verschiedenen Orten und über längere Zeiträume hinweg statt.

Neandertaler-DNA in uns

Die Schätzungen der Forschung belaufen sich heute auf einen Anteil des Neandertalers von ein bis vier Prozent an der DNA von Menschen europäischer und asiatischer Abstammung, manche Wissenschafter sprechen sogar von fast acht Prozent. Ein in Rumänien gefundenes, vor rund 40.000 Jahren lebendes Individuum wies gar einen Anteil von bis zu 9,4 Prozent Neandertaler-DNA auf. Im Gegensatz dazu kommen Neandertaler-Gene bei Menschen mit Wurzeln im Subsahara-Afrika überhaupt nicht vor.

Wenn Lugar also davon spricht, dass der Neandertaler "Gott sei Dank ausgerottet" worden sei, ignoriert er die Tatsache, dass er zu einem Teil selber einer ist.

Mit seiner absurden Suada konterkariert Lugar nicht zuletzt seine eigenen vorgeschobenen Interessen. Denn über die Frage, ob man den Flüchtlingen vor Ort besser helfen könnte, kann man ebenso diskutieren wie über die Tatsache, dass sich unter den Flüchtlingen auch solche mit bedenklichem Weltbild befinden. Doch auf einer Ebene des Rassismus und der Menschenverachtung lässt sich diese Debatte nicht führen. (Michael Vosatka, 17.3.2016)