Im Käfig des russischen Gerichtssaals stand mit Nadia Sawtschenko nicht nur eine Kampfpilotin der ukrainischen Armee, sondern das lebende Symbol für den Ukraine-Konflikt schlechthin: Russlands Staatsfernsehen stellt Sawtschenko als Nationalistin dar, an deren Händen russisches Blut klebt; in der Ukraine wird sie als Heldin im Kampf gegen die Aggression aus Moskau glorifiziert.

Die Staatsanwaltschaft warf Sawtschenko neben dem Mord an zwei russischen Journalisten vor, illegal die Grenze nach Russland übertreten zu haben. Sie selbst erklärt, von prorussischen Separatisten entführt worden zu sein. Und zwar bereits vor den Schüssen auf die beiden Journalisten. Der Prozess steht damit auch symbolisch für die Aufweichung geografischer und rechtsstaatlicher Grenzen – etwa durch russische Soldaten, die sich laut Moskau in die Ukraine verirrten oder dort Urlaub machten.

Wer ist Soldat, wer Zivilist? Fällt der Fall Sawtschenko unter den in Minsk vereinbarten Austausch von Gefangenen, oder hat doch die Kreml-Version vom Mordfall Bestand? Sawtschenko jedenfalls hat angekündigt, nicht gegen ihr Urteil zu berufen. Den weiteren Instanzenweg würde sie sich so versperren, nicht aber eine mögliche Freilassung als Gefangene. Die Chance, dass Moskau sich darauf einlässt, ist eher gering – doch Sawtschenko hat ihren Stolz. Auch deshalb wurde sie zum verehrten und verhassten Symbol des Konflikts in der Ostukraine. (Gerald Schubert, 21.3.2016)