Schnelles Handeln als Maxime: Kunst-und Kulturminister Josef Ostermayer, hier in der Aktionismusausstellung im Wiener Mumok, will das Haus der Geschichte Österreich bis 2018 realisieren.

Foto: Andy Wenzel

STANDARD: Fast zeitgleich mit dem von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachten zum Burgtheater gelangte auch der Rechnungshof-Rohbericht an die Öffentlichkeit – mit teils divergierenden Aussagen. Wie beurteilen Sie diese Widersprüche?

Ostermayer: Vom Gutachten kenne ich nur, was in den Medien aufgetaucht ist. Ob diese Ausschnitte relevant sind, weiß ich nicht. Dazu möchte ich auch nicht Stellung nehmen, weil es ein laufendes Ermittlungsverfahren ist. Der Rechnungshofbericht ist aus gutem Grund vertraulich. Wichtige Maßnahmen habe ich bereits gesetzt, etwa die Novellierung des Bundestheatergesetzes. Wir haben Aufsichtsräte und Holding neu bestellt, die Basisabgeltung erhöht – notwendige Schritte zur Stabilisierung des Hauses.

STANDARD: Es heißt, dass vorige Direktionen belastende Unterlagen im Burgtheater nicht mehr auffindbar gewesen wären, etwa die Aufsichtsratssitzung, an deren Ende der damalige Holding-Chef Georg Springer Sylvia Stantejsky den Auftrag zur "schwarzen Null" erteilte.

Ostermayer: Die Annahme, dass irgendwelche Unterlagen nicht herausgegeben worden wären, würde ich in Kenntnis der handelnden Personen zurückweisen.

STANDARD: Für einige Personen muss nur genügend Zeit bis zur endgültigen Klärung vergehen, und sie sind wegen Verjährung aus dem Schneider.

Ostermayer: Wo Verjährungsfristen eintreten könnten, wurden entsprechende Schritte gesetzt und von Wirtschaftsprüfern ein Verjährungsverzicht eingefordert. Wo dieser nicht abgegeben wurde, haben wir eine Feststellungsklage eingebracht.

STANDARD: Rückblickend: Hat es sich um ein multiples Organ- und Systemversagen, von der Holding übers Theater bis ins Ministerium, gehandelt?

Ostermayer: Wenn es von Wirtschaftsprüfern über lange Zeit uneingeschränkte Bestätigungsvermerke gab, auch das Kontrollsystem betreffend, kann man der Holding oder den Aufsichtsräten schwer vorwerfen, sie hätten genauer schauen müssen.

STANDARD: Die Aufsichtsräte, der Holding-Chef und eine Ex-Bankerin als Ministerin verlassen sich auf die Prüfer. Ausgerechnet der künstlerische Direktor sollte mehr Durchblick haben als all die Wirtschaftsfachleute?

Ostermayer: Aus diesem Grund habe ich ein Gutachten in Auftrag gegeben, auf Basis dessen ich Matthias Hartmann abberufen habe. Es besagt, dass es nach dem GesmbH-Gesetz einen Sorgfaltsverstoß seitens des künstlerischen Direktors gab. Der Geschäftsführer ist am nächsten dran. Er hat nicht nur die Aufgabe der Aufsicht, sondern auch die Aufgabe des Handelns.

STANDARD: Das Wort Fahrlässigkeit würden Sie, mit Blick auf die damaligen politischen und verwaltungstechnischen Zustände, also nicht in den Mund nehmen?

Ostermayer: Nein. Ich lege Wert auf die Gewaltentrennung. Das muss die Justiz beurteilen.

STANDARD: Der neue Holding-Chef Christian Kircher tritt am 1. April an: Ist er mehr den Theatern verpflichtet oder ministeriellen Vorstellungen?

Ostermayer: Sie haben das jetzt als Gegensatz formuliert, ich sehe das nicht so. Er muss die gesetzlichen Aufgaben, die im neuen Bundestheaterorganisationsgesetz formuliert sind, wahrnehmen. Dazu gehört klarerweise auch eine Stärkung der Kontrolle.

STANDARD: Das Haus der Geschichte Österreich ist im Bundesmuseumsgesetz verankert. Doch es bleiben viele Fragezeichen.

Ostermayer: Ich habe immer einen realistischen Blick auf die Dinge und weiß, dass es bis zur Realisierung noch zig Stolpersteine geben kann. Der Zeitraum bis November 2018 ist sehr ambitioniert. Aber ich werde alles tun, damit es sich ausgeht, weil ich es – auch im historischen Kontext – für einen idealen Termin halte. Vor einem Jahr hätte ich nicht vermutet, dass wir heute die gesetzliche Verankerung schaffen.

STANDARD: Aber es gibt kein fixes Budget. Trübt die Aussicht, der Finanzminister könnte den Geldhahn zudrehen, die Vorfreude?

Ostermayer: Nein. Für heuer haben wir Vorsorge getroffen. Was fehlt, ist die Finanzierung über den gesamten Zeitraum, sowohl in meinem als auch im Ressort des Vizekanzlers. Investitionen in die Substanz werden ja von der bei ihm angesiedelten Burghauptmannschaft getätigt.

STANDARD: Aber die Burghauptmannschaft ist kein privates Unternehmen, sondern wird aus öffentlichen Geldern gespeist. Alle Kulturinstitutionen gehen am Zahnfleisch. Da stellt sich schon die Frage: Haben wir das Geld? Ist es uns das wert?

Ostermayer: Ich glaube, es sollte uns das als Gesellschaft im Ganzen wert sein. Und es ist auch im Hinblick auf seine Wertigkeit als Konjunkturprojekt zu betrachten: eine Investition, die Arbeitsplätze sichert oder sogar vielleicht zusätzliche schafft. Ich fände es daher richtig, auch den Tiefspeicher der Nationalbibliothek – auch mit Blick auf die Universität Wien – mit zu errichten.

STANDARD: Das Haus der Geschichte wird hauptsächlich die Zeit ab 1918 behandeln. Zumindest über den Austrofaschismus gibt es noch immer divergierende Ansichten.

Ostermayer: Ja, die Diskussion hat sich auch in jüngster Vergangenheit noch immer an der Person Dollfuß' entzündet. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir uns im Zuge des Umgangs mit den Opfern der Jahre 1934 bis 1938 auch zwischen SPÖ und ÖVP damit auseinandergesetzt. Nach mehreren Gesprächen haben wir uns auf einen Begriff geeinigt: Rehabilitation der Opfer des Unrechtsregimes 1934 bis 38.

STANDARD: Welche Erwartungen richten Sie an die Auslobung des Österreichischen Buchpreises? Besteht die Gefahr, dass Minderheitenpositionen wie experimentelle Literatur durch solch einen Preis ins Hintertreffen geraten?

Ostermayer: Nein, sonst würde jede Form von Aufmerksamkeit schädlich sein. Wir haben diskutiert, ob der Preis auf Roman oder Erzählung beschränkt sein soll. Ich war dafür, ihn zu öffnen.

STANDARD: Wie sehr verändert der Terror wie aktuell in Brüssel die Kultur eines Landes?

Ostermayer: Meine Hoffnung ist, dass sie sich in ihren Grundzügen – in den Werten der Aufklärung – nicht verändert. Ansonsten erwarte ich mir von lebendiger Kultur, dass sie sich mit solchen Anschlägen auseinandersetzt und hilft, sie gesellschaftlich aufzuarbeiten. (Andrea Schurian, Ronald Pohl, 23.2.2016)