Bisher war der Roboter dem Menschen in seinen Tätigkeiten meist unterlegen. Doch nun könnte das Verhältnis kippen.

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Werden also bald Maschinen Menschen Befehle erteilen?

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In den Werken großer Automobilbauer zurren sie schon Schrauben fest und montieren Karosserieteile, in Amazons Logistikzentren sortieren sie Pakete, bei Banken managen sie das Portfolio und entwickeln Anlagestrategien (Robo-Advisors). Und bei der Nachrichtenagentur Associated Press schreiben Algorithmen sogar Quartalsberichte. Mit den Fortschritten künstlicher Intelligenz könnten Roboter bald auch den Posten des Chefs übernehmen.

Der japanische Elektronikkonzern Hitachi hat ein KI-System in seinen Logistikzentren entwickelt, das menschlichen Mitarbeitern konkrete Arbeitsaufgaben zuweist und damit zum Chef wird. Ein Computer analysiert die menschlichen Arbeitsabläufe und erteilt auf dieser Grundlage neue Handlungsanweisungen. Statt auf vorprogrammierte Instruktionen wie bei einer Logistiksoftware zurückzugreifen, soll das AI-System von dem "Skript" abweichen und sich an neue Bedingungen wie Wetter und Nachfrageänderungen anpassen. Die Technik soll die Produktivität in den Warenhäusern von Hitachi um acht Prozent gesteigert haben.

Zukunftszenario Maschinenmanager

In Japan wurde im letzten Jahr sogar schon ein Roboter-Concierge in einem Hotel präsentiert. Doch die jüngste Innovation würde die Entwicklung auf eine neue Stufe stellen. Nicht mehr der Mensch befehligt die Maschine, sondern die Maschine den Menschen.

Bislang fiel die Hegelianische Herr-Knecht-Dialektik zugunsten des Menschen aus. Roboter übernahmen einfache Tätigkeiten wie Putzen oder das Packen von Paketen. Der Mensch war Koch, die Maschine Kellner. Doch nun könnte das Verhältnis kippen. Das Marktforschungsinstitut Gartner schätzt, dass bis 2018 drei Millionen Arbeiter von einem "Robo-Boss" beaufsichtigt werden. "Roboterchefs werden zunehmend Entscheidungen treffen, die zuvor nur von menschlichen Managern getroffen werden konnten", heißt es in einem Bericht. "Aufsichtspflichten verlagern sich zunehmend auf die Ausübung von Monitoringaufgaben durch Performancemessungen, die direkt mit dem Output und der Kundenevaluation verknüpft werden. Solche Messungen können effektiver und schneller von smarten Maschinenmanagern übernommen (werden) ...".

Und das Arbeitsrecht?

Immer mehr Unternehmen wie Amazon oder Tesco überwachen ihre Mitarbeiter mit GPS und Fitness-Trackern: wie viele Schritte sie gehen, wie lange sie für ein Paket brauchen etc. Der Robo-Boss könnte diese Daten auswerten und daraufhin Handlungsanweisungen erteilen. Der Fahrdienstleister Uber hat das mittlere Management faktisch abgeschafft. Dort bestimmen Algorithmen, wer wann welche Route zu welchem Tarif fährt. Die Frage ist, was das für die Unternehmenskultur und Arbeitsorganisation und auch für das Arbeitsrecht bedeutet, wenn ein Roboter Menschen beaufsichtigt. Arbeitgeber respektive Vorgesetzte haben ja ein Direktionsrecht – sie können Weisungen erteilen, an die die Beschäftigten gebunden sind. Aber darf das auch ein Roboter? Wollen wir uns von Robotern herumkommandieren lassen? Von künstlichen Wesen, die wir selbst programmiert haben?

Eric Hilgendorf, Professor für Strafrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der Universität Würzburg und Leiter der Forschungsstelle RobotRecht, sagt: "Wenn die Mitarbeiter von ihrem (menschlichen) Chef den Anweisungen einer Maschine unterstellt wurden, dann kann die Maschine rechtlich wirksam Anweisungen erteilen." Es bedarf also einer Ermächtigung der Maschine durch den Menschen, die Legitimationskette muss direkt auf einen menschlichen Vorgesetzten zurückgeführt werden. Eigenmächtig darf die Maschine nicht handeln.

Vorurteilsfrei – nicht ganz

Das Versprechen der Roboterchefs ist, dass sie ihre Angestellten vorurteilsfrei führen. Wenn der Arbeiter in allen Aktivitäten messbar wird, könnte man ihn nur anhand seiner Daten bewerten. Die Maschine, so die Idee, sieht nicht, welcher Herkunft ein Arbeiter ist, welche Religion oder Ansichten er hat. Roboter haben keine schlechte Laune, die sie an anderen auslassen könnten. Es spreche deshalb einiges dafür, Maschinen als Chefs zu haben.

Gleichwohl: Auch Algorithmen können diskriminieren. Keine Technik ist wertfrei, weil sie immer vom Menschen programmiert wird. Und der hat nun mal Vorurteile, ob er will oder nicht.

Ständiger Aufpasser

Die Frage ist auch, wozu die künstliche Intelligenz imstande ist. Das vermag derzeit niemand seriös abzuschätzen. Die Consultingfirma Maddison Solutions wartet in einem Report mit einem noch gruseligeren Szenario auf: "Die Messung der Arbeitsleistung wird noch feinkörniger werden, wenn intelligente Maschinen das primäre Mittel der Performanceanalyse werden. Aktivitäten und Events, die für menschliche Manager zu klein wären, um analysiert zu werden – zum Beispiel der Winkel, mit dem ein Teller bei einem Dinner aufgetischt wird, die Geschwindigkeit, mit der ein Fahrer um die Ecke fährt, oder die Häufigkeit, wie oft ein VIP-Kunde mit einem Lächeln begrüßt wird -, werden das Futter für die zum Mikromanagement fähigen Maschinen sein." Der Roboter ist ein ständiger Aufpasser – ihm entgeht nichts. Doch wollen sich die Beschäftigten einem solch rigiden Kontrollregime unterwerfen?

Patrick Lin, Direktor der Ethics & Emerging Sciences Group an der California Polytechnic State University: "Einige Arbeiter werden es vermutlich nicht gern haben, dass ein Roboter ihr direkter Aufseher ist." Es würde als entmenschlichend gesehen werden und Ängste eines Überwachungsstaats schüren. Roboter können zwar besser Lügen erkennen als Menschen, doch wäre es nicht mit dem Recht auf Menschenwürde vereinbar, wenn man ständig unter Verdacht ist." (Adrian Lobe, 26.3.2016)