Lebensmittelhandel und Konsumenten blenden es beim Fleischkonsum gerne aus: das Schlachten. Bei Rindern und Schweinen führen in Österreich alle Wege in Schlachthöfe. Auf der Weide oder in vertrauter Umgebung gestorben werden darf nur mit Ausnahmegenehmigung.

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Wien – Stefan Mayrhofers jüngster Versuch, Fleisch fürs Osterfest zu produzieren, führte statt in den Schlachthof ins Unfallkrankenhaus. Sein schottischer Hochlandochse, der sein ganzes Leben frei auf der Weide verbracht hatte und Fixierungen nicht einmal aus der Ferne kannte, geriet beim Verladen in Panik. Mayrhofer quetschte sich den Finger, der Ochse büxte aus. Später starb dieser dann doch. Nicht im Schlachthaus, sondern auf einer Wiese im Mühlviertel, inmitten der vertrauten Herde.

Nach der Lebendbeschau durch einen Tierarzt erschoss ihn ein Jäger. Ganz ohne Stress, erzählt Mayrhofer, er sei einfach umgefallen, habe vom Vorhaben nichts mitbekommen.

In Deutschland erlaubt

In Deutschland ist dies erlaubt. Auch Verordnungen der EU haben, hält man sich an gewisse Auflagen, nichts gegen einen Tod auf der Weide einzuwenden. Österreich jedoch, Vorreiter in der biologischen Landwirtschaft, schiebt dem einen Riegel vor.

Wer Rindern und Schweinen weite Wege in große Schlachthöfe ersparen will, braucht Ausnahmegenehmigungen. Diese laufen unter dem Mantel der Notschlachtung, ein Graubereich im Gesetz – und werden quer durchs Land gut und gern in Anspruch genommen. Vorausgesetzt, die Tierärzte spielen mit. Wirklich legal ist es nicht.

Neben zunehmender Industrialisierung und Masse gingen viele Landwirte den konträren Weg, hin zu Muttertier- und Weidehaltung. Mit der Folge, dass dem Vieh oft der Bezug zum Mensch abhandenkomme, sagt Biobauer Mayrhofer, der Rinder, Schweine und Gänse hält. Verladen und Transportieren seien mit enormem Stress und Risiko für alle Beteiligten verbunden. Vor allem Hochlandrinder ließen sich nicht in Schlachthäuser treiben. "Sie wachsen glücklich auf, haben ein gutes Leben. Da sollen sie auch vom Sterben so wenig wie möglich mitbekommen."

Mobile Schlachtboxen sind in Deutschland mittlerweile Praxis, die Schweiz übt sich mit Pilotprojekten. Das Tier wird dabei in gewohnter Umgebung durch einen Schuss betäubt, die Entblutung erfolgt in der geschlossenen Box, die den Schlachtraum mit seinen hygienischen Anforderungen simuliert. Spätestens eine Stunde später wird es im nächsten Schlachtbetrieb zerlegt und verarbeitet.

Desinteresse der Politik

Seit Jahren setzen sich Österreichs bäuerliche Verbände vor allem aus der Biobranche für ähnliche Anlagen ein. Und stoßen dabei auf Desinteresse der Politik.

Immer wieder sei man damit abgeprallt, sagt Fritz Hinterdorfer, der in Niederösterreich im Nebenerwerb Hochlandrinder hält und ihnen gerne die Angst des Transports erspart hätte. Gespräche im Gesundheitsministerium gebe es nur auf Beamtenebene – und das bisher ohne Erfolg, ergänzt Florian Walter, der sich in der Bergbauernvereinigung Via Campesina für stressfreies Schlachten einsetzt. In Bälde hat er dort wieder einen Termin.

Der obersteirische Züchter von Pinzgauern sieht keine rechtliche Hürden für Weideschlachtungen, "Es braucht dafür auch keine Ausnahmeregelung, man muss es einfach nur politisch wollen." Derzeit würden aber bei Verstößen nicht einmal negative Bescheide ausgestellt, die man juristisch anfechten könnte. "All die strengen Vorschriften rund um Tierwohl in der biologischen Tierhaltung enden kurz vor der Schlachtung. Dann ist auf einmal alles wurscht."

Allzu groß dürften freilich auch der Wille und die Begeisterung der Wirtschaft nicht sein, Bewegung in die Sache zu bringen.

Schlachthöfe wurden nicht selten überdimensioniert und leiden unter schwacher Auslastung, ist aus der Branche zu hören. Hinter den Kulissen bremse auch die Agrarmarkt Austria, die Konkurrenz für die von ihr beworbene Fleischmarken befürchte. Und in der Industrie wird mit linearer Qualität und Waffengleichheit argumentiert – kurzum mit denselben Auflagen für alle, ob groß oder klein.

Zotter ruft die Gerichte an

Auf dem Tisch bleibt das sensible Thema, das von Lebensmittelhandel und Konsumenten gern ausgeblendet wird, dennoch. So hat es sich etwa Chocolatier und Biobauer Josef Zotter in den Kopf gesetzt, seinen "Essbaren Tiergarten", der Besucher Transparenz und Nachhaltigkeit lehren soll, nicht allein den Schlachthöfen zu überlassen. Er kämpft um Bewilligung für eine mobile Schlachtbox. Das Land Steiermark erklärte sich für nicht zuständig. Zotter erhob Einspruch, der Fall liegt nun beim Verwaltungsgerichtshof, bestätigt eine Managerin des Betriebs.

Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen, befasste in zwei Anfragen das Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium mit der Weideschlachtung. Ersteres verwies bei der Zuständigkeit im Februar auf Zweiteres. Dieses will kommende Woche nun Antworten liefern. (Verena Kainrath, 27.3.2016)