Wien – Mit Ende des Jahres läuft die 2011 in Kraft getretene Kronzeugenregelung aus. Das Justizministerium will sie – modifiziert – grundsätzlich weiterführen. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim hält die Beibehaltung, aber mit Verbesserungen, für unbedingt nötig. Die Rechtsanwälte wollen hingegen einen Verzicht auf Kronzeugen.

Beim Beschluss der "großen Kronzeugenregelung" im Jahr 2010 erhoffte sich die Justiz einen effizienteren Kampf gegen Korruptions- und Wirtschaftskriminalität. Wer in solchen Fällen sowie bei allen Delikten mit Strafdrohung über fünf Jahren (ausgeschlossen Sexualdelikte und Taten mit Todesfolge) mit den Behörden kooperiert und zur Aufklärung beiträgt, kann einer Anklage entgehen. In der Praxis wurde diese Möglichkeit allerdings nur sehr selten in Anspruch genommen. Genaue Zahlen gibt es nicht, bis Ende 2014 gab es laut einer Studie drei Fälle, drei weitere waren in Vorbereitung. Öffentlich bekannt wurde nur jener des früheren Telekom-Finanzvorstandes Gernot Schieszler.

Auch das Justizministerium wollte die bisherige Anzahl der Kronzeugen nicht nennen. Zum Teil seien die Verfahren noch nicht abgeschlossen. Es seien jedenfalls "mehr als medial bekannt", hieß es auf APA-Anfrage.

Modifikationen in Ausarbeitung

Die Kronzeugenregelung will das Ministerium grundsätzlich weiterführen. Allerdings soll sie anhand der bisherigen Erfahrungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und der anderen Staatsanwaltschaften modifiziert werden, so eine Sprecherin. Derzeit befinde sich der Entwurf dafür in der Endausarbeitung; wann genau er in Begutachtung gehen soll, blieb offen. Inhaltliche Details nannte die Sprecherin nicht. Auch in der WKStA hielt man sich zu Änderungswünschen bedeckt.

SPÖ-Justizsprecher Jarolim drängt auf die Verlängerung der Regelung. Das Justizministerium sei allerdings "dringend" aufgefordert, sie zu verbessern. Denn derzeit handle es sich "mehr um eine Scheinlösung" als eine tatsächlich wirksame Hilfe bei Ermittlungen.

Dieser Meinung sind auch die Rechtsanwälte – sie ziehen daraus aber einen anderen Schluss: ÖRAK-Präsident Rupert Wolff spricht sich unumwunden dafür aus, auf die Kronzeugenregelung zu verzichten. Dies sowohl aus rechtsstaatlichen Bedenken als auch wegen der Tatsache, dass sie – weil wenig attraktiv – nur selten zur Anwendung kam.

Dass es nur wenige Fälle gibt, wundert Wolff nicht. Denn für die Klienten und ihre Anwälte bleibe bis zum Verfahrensende "große Unsicherheit" bestehen, ob der Kronzeuge wirklich straffrei ausgeht oder doch noch angeklagt oder mit zivilrechtlichen Ersatzansprüchen konfrontiert wird. Schieszler etwa war drei Jahre im Ungewissen – und zahlte dann nach einem zivilgerichtlichen Vergleich mehr als eine Million Euro an die Telekom.

Außerdem haben die Rechtsanwälte rechtsstaatliche Bedenken: "Es spricht nicht für einen guten Rechtsstaat, dass jemand, der eine Straftat begangen hat, straffrei bleibt, weil er einen anderen verpfeift." Aus der Tatsache, dass die Kronzeugenregelung nur für Delikte mit mehr als fünf Jahren Strafdrohung möglich ist, entstehe auch eine "gewisse Ungleichbehandlung": Dieser Täter könne straffrei ausgehen, ein "kleiner Straftäter" würde schlechter behandelt. "Aus unserer Sicht wäre die Regierung gut beraten, wenn sie diese Regelung ersatzlos auslaufen lässt", wandte sich der ÖRAK-Präsident im APA-Gespräch gegen die Verlängerung. (APA, 28.3.2016)