Großer Andrang beim Fotografen: Die Flüchtlinge wollen ein Statement der Solidarität und des Mitgefühls mit den Terroropfern von Brüssel abgeben. Blut spenden war ihnen nicht möglich.

Foto: Christian Fischer

Wien – Die Enttäuschung war groß. Über das Osterwochenende kam im Flüchtlingsheim in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien-Landstraße die Idee auf, aus Solidarität mit den Terroropfern in Brüssel Blut zu spenden. Arach Rahimi, ein 21-jähriger Flüchtling aus Kabul, der seit fünf Monaten hier untergebracht ist, hatte im Radio gehört, dass in Brüssel die Blutkonserven knapp würden und dass es einen Appell an die Bevölkerung gebe, Blut zu spenden.

Gemeinsam mit Shafik Islami, einem anderen Flüchtling aus Kabul, ergriff er die Initiative: "Wir wollen helfen", sagt Islami im Gespräch mit dem STANDARD, "wir haben nichts, was wir spenden können, aber wir haben unser Blut." Man wolle Verbundenheit mit der Bevölkerung in Belgien ausdrücken und gemeinsam als Muslime die terroristischen Anschläge in Brüssel verurteilen. Am ersten Abend schlossen sich 30 Flüchtlinge spontan der Aktion an, am Ostermontag waren es 77, die sich registrieren ließen.

Schlechte Nachricht

Schlussendlich sollten es mehr als hundert sein. Am Dienstag nach Ostern kam dann die Nachricht von der Blutspendezentrale des Roten Kreuzes, dass man das Blut der Flüchtlinge nicht annehmen könne.

Mehrere Gründe sind dafür ausschlaggebend, erläutert Ursula Kreil, die Leiterin der Abnahme in der Blutspendezentrale. Flüchtlinge seien nicht prinzipiell vom Blutspenden ausgeschlossen, es gelten allerdings strikte Vorgaben wie gute Deutschkenntnisse, die für das Anamnesegespräch mit dem Arzt notwendig seien, das Vorliegen eines positiven Aufenthaltsbescheids, und schließlich seien die Herkunftsländer zu berücksichtigen. Bei einer erhöhten Malariaverbreitung sei eine Blutspende ausgeschlossen, und das gelte etwa für Afghanistan.

Ein Buch für den Botschafter

Aus der kurzfristigen Frustration versuchten die Flüchtlinge dennoch etwas Positives zu machen. Es war ihnen ein Anliegen, hier Stellung zu beziehen, Mitgefühl zu zeigen und gegen den Terror aufzutreten, erzählt Rahimi. Gemeinsam mit den anderen organisierte er eine Fotoaktion: Die Flüchtlinge ließen Fotos von sich machen, gaben Erklärungen ab. "Viel mehr können wir jetzt nicht tun", sagt Islami, "aber wir wollen ein Zeichen setzen." Man werde jetzt ein Buch gestalten und wolle dieses dem belgischen Botschafter in Wien übergeben.

derstandard.at/fischer

Auf dem Gang im Flüchtlingsheim herrscht großes Gedränge. In einem der hinteren Räume hat ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes seine Kamera aufgebaut. Holy Kellner fotografiert. Einen nach dem anderen. Die Namen werden aufgerufen. Mit ernsten Gesichtern nehmen die Flüchtlinge Platz.

Hilfe zurückgeben

Abdullah Taha versucht Ordnung ins Gedränge zu bringen. Der 33-Jährige war als Kind mit seinen Eltern nach Wien gekommen, sie waren aus dem Irak geflohen, er selbst ist in Kuwait geboren. Mittlerweile ist er österreichischer Staatsbürger und hat sein Studium fertig. Er engagiert sich als Koordinator der arabischen Dolmetschergruppe im Flüchtlingsheim. Er wolle helfen und etwas zurückgeben für die Hilfe, die er und seine Familie erhalten hatten.

Die Idee, gemeinsam Blut nach Brüssel zu schicken, hält Taha für ganz toll, wie er versichert. Er bedauert, dass die Aktion so nicht durchführbar sei. Dennoch werde hier Solidarität von den Flüchtlingen demonstriert. "Das sind selber Opfer, sie wollen den Terroropfern in Brüssel ihre Verbundenheit zeigen." Das sei ein Zeichen der Nächstenliebe, "wir machen das auch im Namen Gottes". Dass die Attentäter ihre Angriffe ebenfalls im Namen Gottes durchführten, hält Taha für absurd: "Gott engagiert keine Terroristen", sagt er.

Am Ende des Tages waren es 101 Bewohner des Flüchtlingsheims, die sich registrieren und fotografieren ließen, die ihre Botschaften und Beileidsbekundungen zu Protokoll gaben. Die Bereitschaft, Blut zu spenden, besteht nach wie vor. (Michael Völker, 30.3.2016)