Das ist wieder einmal typisch Heinz Fischer. Da greifen Kandidaten ohne rotes und schwarzes Parteibuch nach dem Amt des Bundespräsidenten, wollen es vom Geruch der Frühstücksdirektion entlüften und mit neuer Schlagkraft ausstatten – doch wie reagiert der scheidende Herr in der Hofburg? Er spielt den Bremser, mahnt zur Mäßigung und warnt vor Unruhe.

Dabei haben die gescholtenen Kandidaten nur das vor, was ausdrücklich erlaubt ist. Während der Grüne Alexander Van der Bellen damit kokettiert, die FPÖ auch im Fall einer absoluten Mehrheit nicht in die Regierung zu lassen, wollen der Blaue Norbert Hofer und die unabhängige Irmgard Griss die Regierung notfalls entlassen, wenn deren Arbeit nicht dem staatsoberhäuptlichen Gutdünken entspricht. Artikel 70 der Bundesverfassung gestattet dem Bundespräsidenten dies nach freiem Ermessen – und schreibt nicht einmal eine besondere Begründung vor.

Legitim heißt nicht klug

Und dennoch: Fischers Einwände sind höchst berechtigt. Die Verfassung lässt Handlungsspielraum offen, nicht jede legitime Anwendung ist automatisch auch klug. Das gilt gerade vor dem historischen Hintergrund: Die auf dem Papier außerordentlich große Machtfülle des Präsidenten wurde 1929 in der Verfassung verankert, als antiparlamentarische Kräfte Oberwasser bekamen. Man muss die entsprechenden Passagen deshalb nicht, wie das Kanzler Bruno Kreisky tat, für präfaschistisch inspiriert halten, doch besonderes Augenmaß ist bei der Auslegung geboten.

Ein Instrument wie die Entlassung sollte letztes Mittel sein, wenn demokratische Spielregeln oder unverhandelbare ethische Standards verletzt werden: Gegen eine Regierung, die etwa an nationalsozialistisches Gedankengut anstreift, muss ein Staatsoberhaupt durchgreifen. Doch Hofer und Griss gehen darüber weit hinaus, indem sie inhaltliche Fragen zum Maßstab erklären. Ersterer nennt die aktuelle Flüchtlings-, Pflege- und Wirtschaftspolitik als Grund zum Feuern, Letztere möchte die Regierung anhand des abzuarbeitenden Programms bewerten – und dabei "Kompass" spielen, "wohin Österreich gehen soll".

Urteil via Wähler

Das klingt tatsächlich nach "Allmachtsfantasien", wie sie Fischer kritisiert. Ob eine Regierung erfolgreich arbeitet, ist nicht per Stricherlliste objektiv bewertbar, sondern liegt im Auge des Betrachters. Das Urteil soll in einer Demokratie den Wählern zustehen – und nicht einem Einzelnen, der den Daumen rauf- oder runterhält. (Gerald John, 3.4.2016)