Die Sicherheitslage in Libyen ist heikel: Staatliche Institutionen haben längst ihre Kontrollmacht verloren, verfeindete Milizen kämpfen um Territorium. Dazu kommt die Bedrohung durch die Terrororganisation "Islamischer Staat", die sich im Raum Sirte ausbreitet. Damit herrschen in Libyen auch ideale Bedingungen für florierenden Waffenhandel. Besorgte Bürger und Geschäftsleute bewaffnen sich als Schutzmaßnahme, gleichzeitig fördern Zusammenstöße verfeindeter Gruppen die Zirkulation von Waffen – darunter auch österreichischer Modelle.

Die Beobachtungsstelle Armament Research Services (Ares) hat nun einen Bericht über den Online-Waffenhandel in Libyen vorgelegt. Zwar finden nach wie vor direkte Verkäufe statt, eine Vielzahl von Transaktionen hat sich jedoch in die Online-Sphäre verlagert. Dort versammeln sich potenzielle Käufer in geheimen Gruppen, die bis zu 14.000 Mitglieder haben. Ares hat sich Zutritt in diese Gruppen verschafft und für diesen spezifischen Bericht zwischen November 2014 und November 2015 über 1.300 Angebote verschiedener Waffen analysiert. Die Organisation sammelt zusätzlich Informationen zu anderen Waffenverkäufen und speichert diese in einer eigenen Datenbank, die zigtausende Einträge umfasst.

Glock-Pistolen aufgetaucht

Der Großteil der "leichten Waffen" (etwa Granatwerfer) stammt aus Belgien und Russland, bei den Kurzwaffen (etwa Pistolen) spielt außerdem Italien eine große Rolle. Doch auch österreichische Modelle tauchen in den libyschen Facebook-Gruppen auf: Insgesamt konnten die Ares-Forscher fünfzehn Glock-Pistolen identifizieren, darunter die Glock 17 und die Glock 19 sowie Glock-17T-Trainings-Modelle. Bei der Untersuchung, deren Länderbericht zu Österreich dem STANDARD exklusiv vorliegt, handelt es sich jedoch nur um einen kleinen Einblick in den Online-Waffenhandel in Libyen. Es ist zu befürchten, dass weitaus mehr Waffen kursieren.

Laut Ares-Co-Director und Berichterstatter Nic Jenzen-Jones zeigen einige der Glock-Pistolen das Logo der 32. Brigade, die von Khamis al-Gaddafi – dem jüngsten Sohn des ehemaligen Diktators Muammar – bis 2011 geführt worden war. Die 32. Brigade soll an Menschenrechtsverletzungen und Gräueltaten beteiligt gewesen sein. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 hatten Nato-Streitkräfte auch deshalb das Hauptquartier der Brigade nahe Tripolis attackiert. Nach der Auflösung der Brigade könnten die Glock-Pistolen auf den Schwarzmarkt gelangt sein. Außerdem sollen ungefähr hundert Pistolen von US-Truppen, 70 von einer durch die EU geleiteten Grenzassistenzmission gestohlen worden sein.

Diese Glock 19T wurde speziell für das Training staatlicher Einheiten hergestellt und ist nun im freien Verkauf erhältlich.
Foto: Facebook/Ares

Hochpreisige Waren

Der Preis für eine Glock-Pistole liegt in Libyen zwischen 3.300 und 5.100 US-Dollar (2.900 bis 4.500 Euro), was laut Ares weit über den kommerziellen Preis in Europa und den USA hinausgeht. Auch im Irak und im Jemen werden immer wieder Glock-Pistolen angeboten, die US-Regierung hatte damit irakische Polizisten ausgerüstet. Der Kärntner Waffenhersteller war zu keiner Stellungnahme bereit. Ebenso wenig konnte vom Wirtschaftsministerium in Erfahrung gebracht werden, das für Exportgenehmigungen zuständig ist.

Dieses Bild wurde von einem unbekannten Käufer in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht. "Austria" als Herstellungsort ist klar zu erkennen
Foto: Facebook/Ares

Der Export von Waffen in Krisenregionen ist prinzipiell verboten. Auch in Länder, deren Regierungen Menschenrechtsverletzungen begehen, darf nicht geliefert werden. Doch noch 2010 schlossen österreichische Hersteller mit Libyen Verträge im Wert von rund 100.000 Euro ab. Um welchen Konzern es sich dabei handelt, bleibt geheim, da nur die Höhe der Verträge veröffentlicht wird. (Fabian Schmid, Noura Maan, 7.4.2016)