Der Autor Abbas Khider floh mit 19 aus dem Irak. Er hatte sich politisch gegen das Regime Sadam Husseins engagiert. Seit 2000 lebt er in Deutschland, wo er Literatur und Philosophie studierte.

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Karim ist aus Bagdad nach Paris geflohen. In der französischen Hauptstadt lebt bereits sein Onkel, dort will er studieren, aber auch Geld verdienen, um sich die Brüste entfernen zu lassen, die ihm während der Pubertät gewachsen sind. Der Schlepper allerdings lässt ihn in München aussteigen. Das Asylland ist nun Deutschland. Und Karims Leben spielt fortan in der bayrischen Provinz, findet statt zwischen Dönerbuden und Vorurteilen und besteht vor allem aus einem: aus Warten.

"Karim Mensy heiße ich. Hallo. Wieder einer dieser ausländischen Namen, die man sich schwer merken kann. Für Sie war ich wohl Asylant 3873 oder so. Nicht mehr wert als die Nummern, die ich ziehen musste, um zu warten. Es war ein sinnloses Warten, das ich nur auf mich genommen habe, weil ich die Hoffnung hatte, Verständnis zu erfahren und eine Chance zu bekommen. Stattdessen wurde ich immer wieder fortgeschickt. Auswendig kenne ich Ihre Sprüche, doch bitte noch irgendeinen neuen Nachweis zu erbringen. Und immer musste ich warten, selbst in meinen nächtlichen Träumen. Sogar auf Wartenummern habe ich da schon gewartet, Hier, sehen Sie mal! In meiner Hosentasche habe ich noch eine."

Nächste Ausfahrt Bayreuth

Abbas Khider will seinen Roman "Ohrfeige" nicht als politischen Kommentar verstanden wissen. Seine Geschichte spielt auch nicht in der heutigen Zeit, sondern 2001. An den Mechanismen der Asylpolitik, die Khider lakonisch und durchaus humorvoll beschreibt, hat sich allerdings wenig geändert, was das Buch hochaktuell werden lässt. Dabei sei "Ohrfeige" aber, wie es in der STANDARD-Kritik heißt, "kein emotionales Ausschlachten" der Flüchtlingsschicksale. Vielmehr sei es ein "schalkhaftes Gustieren von "Situationen, die er präzise benennt und mit großer Leichtigkeit und Erzählfreude beschreibt".

Ich bekam eine Fahrkarte und einen Fahrplan auf Englisch sowie fünf D-Mark Taschengeld. Mit dem Linienbus und der Regionalbahn sollte ich nun alleine weiterfahren. In ein neues Heim. Mein nächstes Ziel klang wie die libanesische Hauptstadt. "To Beirut?", fragte ich den schweigsamen Beamten, der mich zur Bushaltestelle begleitete. "Yes, Bayreuth. Das ist nicht weit weg."

Kein Platz im öffentlichen Raum

Protagonist Karim stellt sich kiffend auf dem Sofa vor, was er seiner Sachbearbeiterin alles sagen könnte. Diese Fantasie suggeriert auch, dass sie ihm im realen Leben nicht zuhören würde, dass Geflüchteten überhaupt selten bis nie eine Stimme im öffentlichen Raum zugestanden wird. Im Roman aber sprechen diese Stimmen laut und deutlich.

Was denken Sie?

Wie hat Ihnen "Ohrfeige" gefallen? Welche Aspekte des Romanes halten Sie für besonders diskutierenswert? Welche der geschilderten Situationen haben Sie überrascht? Mit welchen Figuren fällt Ihnen eine Identifikation leicht, mit welchen weniger? Welche Begebenheiten erscheinen Ihnen fiktiv, welche real? (jmy, 7.4.2016)