Nathan Murrell fotografierte die Designerin Patrycja Domanska im Spiegelkabinett bei Schloss Schönbrunn

Foto: Nathan Murrell

Patrycja Domanska und ihre Leuchte "Dress a Bulb". Wie die Spiegel bei Schloss Schönbrunn, soll das Objekt natürliche Formen reflektieren.

Foto: Nathan Murrell

Inspiration zu definieren ist eine heikle Geschichte. Ich denke, es handelt sich dabei um einen Vorgang, der für längere Zeit im Unbewussten abläuft. So lange, bis man merkt, dass daraus ein Tool wird. Leider lässt sich dieses Werkzeug nicht wie ein Hammer oder eine Zange aus der Werkzeugkiste nehmen.

In meinem Fall sind diese Tools Dinge, die mich anziehen. Oft handelt es sich dabei um Objekte aus der Natur: ein Ast, die Struktur eines Blattes, die Rinde eines Baumes, aber auch ein Pflasterstein. In meinem Computer gibt es einen "Inspirations-"Ordner mit gut 100 Fotos, die immer wieder ausgemistet werden.

Bei meiner Leuchte "Magnum" war das Weltall ein Bild, das mich begleitet hat. Die Lampe erinnert mich irgendwie an einen Satelliten. Auch Dinge in Bewegung können mich sehr beflügeln. Vielleicht kommen mir deshalb auch so viele Ideen beim Spazierengehen. Man könnte das "nomadische Inspirationswege" nennen. Ab einem bestimmten Moment während des Entwurfsprozesses dreht jeder Gedanke im Kopf wie ein Satellit im Weltraum seine Runden.

Natur und Technologie sind für mich kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil. Die Leuchte "Dress a Bulb", die man auf dem Foto sehen kann, besteht aus Tyvek, das ist ein Vliesstoff aus Polyethylen. Sie ist eine einfache, charmante, handgemachte und recycelbare Lösung, den sogenannten Russenluster, also eine nackig herabhängende Glühbirne, zu verkleiden. Ich mag es, wenn man Objekte drehen und wenden kann, so wie man das mit seinen Gedanken tun muss, um etwas Neues zu kreieren. Das hat mit Bewegung, aber auch mit Freiheit zu tun.

Hamsterrad

Es ist mir wichtig, dass meine Dinge nicht zu funktional aussehen. Einem Blatt sieht man seine Funktion auch nicht an, und doch ist es pure Funktion, sogar was seine Farbe betrifft.

Ich denke, Inspiration ist die Schwester einer Idee. Man könnte die Angelegenheit mit einem gedanklichen Pingpongspiel vergleichen. Ich schlage den Ball in eine Ecke meines Unterbewusstseins, und von dort kommt im besten Falle etwas Umgewandeltes zurück. Das Pingpongspiel dauert so lange, bis ich gewonnen habe. Vielleicht sitzt in dieser Ecke auch ein Hamster, der das Rad meiner unbewussten Gedanken antreibt. Natürlich handelt es sich um einen gutgelaunten Hamster. Der läuft gerne in seinem Rädchen. Meistens jedenfalls.

Inspiration haftet etwas Verstecktes an, etwas, das nicht messbar ist. Es gibt keine Formel. Es verhält sich wie mit der Faszination. Die ist vorhanden oder nicht. Der amerikanische Komponist Aaron Copland sagte: "Inspiration mag eine Form des Überbewusstseins oder vielleicht eine des Unterbewusstseins sein. Das weiß ich nicht. Aber ich bin sicher, dass sie das Gegenteil zum Egobewusstsein ist."

Spiegelkabinett

Ein Ort, der mich sehr inspiriert, ist das Spiegelkabinett beim Labyrinth von Schloss Schönbrunn. Die Spiegel sind für mich ein Symbol für sichtbare, vervielfältigte Natur, aber auch für Technologie. Die Spiegel ermöglichen verschiedene Perspektiven, ein und dasselbe Ding zu sehen. Dadurch verändert sich seine Erscheinung. Der Spiegel ist glatt und perfekt. In ihm spiegeln sich die Veränderung und die Erscheinungsformen der Pflanzen. Die Sache ist erwähntem Pingpongspiel ähnlich.

Ein Ort, der mich überhaupt nicht inspirieren könnte, ist ein Großraumbüro. Allein der Gedanke daran ist ein Albtraum. Das würde mich nur blockieren, genauso wie der Gedanke, den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen. Da bleibt man im Internet auf irgendwelchen Blogs und Seiten hängen und verheddert sich wie in einem Spinnennetz. Das wirkt wie eine gedankliche Schlafbrille. Mit der lässt sich nicht gut spazieren gehen. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.4.2016)