Die britische Autorin Kathy Etchingham lebte mit Jimi Hendrix Ende der Sechzigerjahre in der Brook Street 23.

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Das gemeinsame Schlafzimmer wurde nach ihren Erinnerungen rekonstruiert.

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Brook Street 23 von außen

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Eine Gedenktafel erinnert an den berühmten Bewohner.

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Jimi Hendrix bei einem Auftritt auf der Isle of Wight.

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Jimi Hendrix hat geschworen, dass ihm der Geist von Georg Friedrich Händel erschienen ist. Er soll aus der Wand von Hendrix’ Schlafzimmer herausgetreten sein, ein betagter Mann im Nachthemd mit grauem Zopf. Die Swinging Sixties in London waren zwar halluzinogen, aber falls die beiden Musiker einander tatsächlich begegnet sind, dann war es kein Zufall.

1968 bezog Hendrix, dessen Stern in der Rockmusik gerade zu Leuchten begonnen hatte, im dritten Stock des Londoner Hauses Brook Street 23 eine Wohnung. Sie bestand aus Schlafraum, Küche und Badezimmer, das pink gekachelt war.

Diagonal unter dem kleinen Appartement bewohnte der deutsche Komponist Georg Friedrich Händel eine Wohnung – im Nebenhaus und 240 Jahre früher. Als Hendrix das blaue Schild am Nachbarhaus entdeckte, das auf den berühmten Bewohner hinwies, kaufte er sich den "Messias" auf Vinyl. Bach habe er gekannt, sagte er in einem Interview, Händel war ihm neu.

Schmaler Übergang

Seit Februar ist Hendrix’ Schlafzimmer zur Besichtigung geöffnet. Der Zugang erfolgt originellerweise über das Handel House Museum. Es geht die knarzenden Stufen einer steilen Holzstiege hinauf, wo man im ersten Stock Händels Musikzimmer und im zweiten sein Schlafzimmer sehen kann. Eine Etage darüber öffnet sich ein schmaler Übergang zum Nebenhaus – schon steht man im Schlafzimmer von Hendrix.

Der kleine Raum erweckt durch den karminroten Teppichboden, die darauf ausgelegten Perserteppiche und schwere Vorhänge den Eindruck einer gemütlichen Höhle. Das Bett dominiert, verstärkt durch ein viktorianisches Fransentuch, das am Plafond befestigt als Baldachin über der glattgestrichenen Tagesdecke hängt. Hendrix soll sein Bett immer sorgfältig gemacht haben – ein Überbleibsel aus der Zeit beim Militär.

Nur der ovale Spiegel ist ein Original

Fotos dienten als Quelle, um das Schlafzimmer zu rekonstruieren. Die wichtigsten Informationen lieferte aber Kathy Etchingham. Die heute 69-jährige Autorin war eine Lebensgefährtin von Hendrix und lebte in den Jahren 1968 und ’69 mit ihm in der Wohnung. Nach ihren Skizzen wurden die meisten Einrichtungsgegenstände nachgebaut, lediglich der ovale Spiegel über dem Kamin ist ein Original.

Die Einrichtung des Zimmers trägt Hendrix’ Handschrift. Stoffe und Farben waren ihm wichtig. Unterhielt er sich mit den Verkäufern eines Kaufhauses in der nahegelegenen Regent Street, starrten ihn immer wieder andere Kunden an. Sie konnten kaum glauben, dass der Rockstar in der Vorhangabteilung über Muster diskutierte. Ein Teil der Innenausstattung mit Hippie-Flair stammte auch von Flohmärkten.

Straßenlärm und Musik

Neben den Vibes von damals sollen die Besucher auch ein Gefühl für den Raum bekommen, wie ihn Hendrix erlebt hat. Der Straßenlärm ist zu hören und natürlich auch Musik. Entweder spielte Hendrix auf seiner Epiphone Acoustic Gitarre – ein Duplikat liegt auf dem Bett – oder er hörte laut Schallplatten. Von Zeit zu Zeit läuten zwei Telefone, die auf dem Boden stehen. Zwei? Kathy Etchingham bestand auf einer zweiten Leitung, weil Hendrix zu freigiebig mit der Herausgabe der Telefonnummer war. Mit dem beginnenden Ruhm hörte das Klingeln nicht mehr auf.

Die Tage in der Brook Street verliefen alle ähnlich. Hendrix ging jede Nacht aus, zuerst Abendessen, dann in den Club Speakeasy zum Jammen. Nach der Sperrstunde kehrte er in die Wohnung zurück, wo er mit Freunden und Kollegen bis in die Morgenstunden feierte. George Harrison stürzte einmal um fünf Uhr früh über die steile Stiege.

Händel-Visionen nach dem Essen

Am folgenden Tag schlief Hendrix meist bis zum Nachmittag. Nach dem Aufwachen telefonierte er nach unten ins Restaurant Mr. Love und bestellte Steak mit Pommes Frites. Das ließ er sich mit einer Flasche Mateus Rosé – der Rocker trank gerne lieblichen Wein – und 20 Zigaretten liefern. Nur manchmal kochte die Sängerin Madeline Bell Soul Food für ihn. Nach so einem Essen ist ihm Händel erschienen. Vielleicht lag es doch nicht an den Drogen. (Peter Fuchs, 12.4.2016)