Aufgrund des Börsengesetzes kann die österreichische Finanzmarktaufsicht nun Strafen in Millionenhöhe verhängen.

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Wien – Inmitten der Aufregung um die Enthüllungen der Panama Papers steht in Österreich die Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien an. Zum bereits vergangenes Jahr umgesetzten Börsengesetz kommen neue Rechtsvorschriften in den Bereichen Marktmissbrauch, Geldwäsche und Datenschutz. Sie haben gemeinsam, dass sie deutlich höhere Sanktionen gegen Kapitalmarktvergehen vorsehen, als das österreichische Recht bislang kannte.

Kritiker bezeichnen die Gesetzgebung als "verfassungsrechtlich bedenklich", da sie Behörden erheblich größere Handlungsspielräume als bisher zugesteht. Zudem sei die Höhe der Verwaltungsstrafen "existenzgefährdend" für betroffene Unternehmen.

Rechtsanwalt und Wolf-Theiss-Partner Markus Heidinger bedauert, dass die Enthüllungen der Panama Papers "das Verständnis der Öffentlichkeit für die Thematik verringern" würden. Dabei seien letztlich auch Arbeitnehmer von den hohen Strafen für börsennotierte Unternehmen betroffen.

Bis zu zehn Millionen Euro

Die im November 2015 in Kraft getretene Novelle zum Börsengesetz war der erste Schritt in der Umstellung des kapitalmarktrechtlichen Sanktionenregimes. Sie erlaubt der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA), Strafen in der Höhe von bis zu zwei Millionen Euro gegen natürliche Personen zu verhängen. Auch juristische Personen, sprich Unternehmen, können erstmals sanktioniert werden. Geldstrafen von bis zu zehn Millionen Euro oder von bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes sind nun möglich.

Zum Vergleich: Zuvor waren Verwaltungsstrafen von höchstens 150.000 Euro zulässig. Die neue Höchstgrenze entspricht somit mehr als einer Verzehnfachung.

Hohe Geldstrafen sieht auch die im Juli 2016 in Kraft tretende EU-Marktmissbrauchsverordnung vor. Bei Insiderhandel und Marktmanipulation ist ein Strafrahmen von bis zu fünf Millionen Euro bei natürlichen Personen und bis zu 15 Millionen Euro oder 15 Prozent des Gesamtkonzernumsatzes bei Unternehmen vorgesehen. Zudem müssen behördliche Sanktionsentscheidungen bereits vor deren Rechtskraft mit namentlicher Nennung der betroffenen Person veröffentlicht werden.

Geldstrafen "völlig unproportional"

Bei Verstößen gegen die Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten fallen laut der bis spätestens Sommer 2017 umzusetzenden Geldwäscherichtlinie Strafen in Millionenhöhe an – selbst wenn ein Verstoß nicht vorsätzlich ist und nicht im Zusammenhang mit Geldwäsche steht.

Heidinger erscheinen die Strafen angesichts des kleinen österreichischen Kapitalmarkts "völlig unproportional". Die von der Marktmissbrauchsverordnung vorgeschriebene Namensveröffentlichung vor Ablauf der Rechtsmittelfrist habe zur Folge, dass Datenschutz "nur ein Lippenbekenntnis" sei. Der EU-Gesetzgeber habe "jegliches Augenmaß verloren".

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Laut Wolf-Theiss-Partner Kurt Retter verstoßen die hohen Strafen in einigen Fällen gegen den in der EU-Grundrechtscharta verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er bemängelt zudem die Behördenzuständigkeit in Österreich: Der österreichische Gesetzgeber hat das Börsenmarktgesetz im Verwaltungsrecht umgesetzt, sodass die FMA – eine Verwaltungsbehörde – nun Strafen in Millionenhöhe verhängen kann.

Verwaltungsbehörden würden mit der neuen Gesetzgebung "riesige Spielräume eingeräumt, die sie verfassungsrechtlich nicht haben sollten", so Retter. Dabei, argumentiert Retter, würden sie sich wohl "ebenso strafbar machen", würden sie an denselben Maßstäben gemessen, wie Unternehmen.

Auch Experten haben Schwierigkeiten

Heidinger bemängelt, dass die Ressourcen von Unternehmen zunehmend in Risikovermeidung und interne Compliance-Abteilungen und damit in "völlig falsche" Bereiche gesteckt werden. Grund dafür sei die immer mehr an Komplexität gewinnende Gesetzeslage. Selbst Experten hätten mittlerweile "Schwierigkeiten, den Überblick zu bewahren".

Er kritisierte, dass eine breite inhaltliche Diskussion der Gesetze durch die späte Veröffentlichung der Entwürfe durch das Finanzministerium unterbunden würde.

Die Rechtsanwälte hoffen, dass bei den noch ausstehenden Richtlinien "nationale Gestaltungsspielräume" intensiver genutzt werden als bisher. Sie plädieren zudem für eine grundlegende Reform des österreichischen Verwaltungsstrafrechts, die laut Heidinger auch "in der Fachliteratur seit Jahren gefordert" werde. (Elena Pramesberger, 13.4.2016)