Nach den Anschlägen von Paris im November 2015 sei auch in Mittel- und Westeuropa die Angst vor der Terrorbedrohung "auf neue Weise nachdrücklich und folgenschwer" angekommen, sagt die Professorin Hanna Hacker bei der Veranstaltung "Terrorismen diskutieren".

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Terrorismus "nicht mehr nur als Ereignis, sondern als Prozess" zu betrachten, dazu rief die Politikwissenschafterin und Friedensforscherin Claudia Brunner bei der Podiumsdiskussion von Frauen*solidarität und feminIEsta am Mittwoch in Wien auf. Nach den Anschlägen von Paris im November 2015, so die Gastgeberin Hanna Hacker, sei auch in Mittel- und Westeuropa die Angst vor der Terrorbedrohung "auf neue Weise nachdrücklich und folgenschwer" angekommen. Ganz subjektiv werde nun wahrgenommen, was in anderen Regionen der Welt "tagtägliche Realität" sei: die Bedrohung des eigenen Körpers.

Paris und Köln

Diskutiert wurden im C3, dem Centrum für internationale Entwicklung, also feministische Perspektiven auf internationale Gewalt vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse wie der Silvesterübergriffe in Köln. Was meinen wir, wenn wir von Terrorismus sprechen, und was sind Ausprägungen sexualisierter und rassialisierter Gewalt, waren die Fragestellungen, anhand derer sich die Diskussion entwickelte.

"Terrorismus ist ein Kampfbegriff, der Öffentlichkeit erzeugt", so Brunner. Sie warnte aber vor dem bloßen Blick auf Einzelereignisse. "Das ist keine Relativierung, sondern eine Relationierung. Es geht darum, Zusammenhänge herzustellen." Einen solchen Zusammenhang stellte Dudu Kücükgöl, feministische Aktivistin und Unternehmensberaterin, zwischen der Terrorangst und der aktuellen österreichischen Debatte über islamische Kindergärten her. "Die Angst wird verwendet, um ungehindert einen Generalverdacht aussprechen zu können", so Kücükgöl. "Wir sehen hier einen Diskurs, der zur Legitimation von Ungleichheit verwendet wird."

Böhmermann und Erdogan

Die Wortwahl bei Böhmermanns Beschimpfung von Erdogan – der deutsche Satiriker ist derzeit in einen Rechtsstreit mit dem türkischen Präsidenten verwickelt – brachte Kücükgöl als Beispiel für die Auswirkungen der Terrorangst, die menschenverachtende und rassistische Wortwahl salonfähig mache. "Hier werden Stereotype verwendet, wie sie zum Beispiel auch gegen den jüdischen Mann vorgebracht wurden." Auch Fanny Müller-Uri, politische Aktivistin bei "Moving Europe", ortete die Legitimierung rassistischer Strukturen infolge einer leicht zu instrumentalisierenden Terrorangst. "Rassismus gibt vermeintlich einfache Antworten auf schwierige Fragen."

Kognitive Militarisierung

"Weiße Männer retten braune Frauen vor braunen Männern" – bezugnehmend auf die postkoloniale Theorie von Gayatri Chakravorty Spivak deklinierte Claudia Brunner anschaulich die Verschiebungen im Diskurs durch. Egal, wer wen rette, ob weiße Frauen braune Frauen, weiße und braune Frauen braune Frauen oder weiße Queers braune Queers, immer seien die "braunen Männer" das Problem. Auch im Beispiel Köln, wo weiße Männer weiße Frauen hätten retten wollen und auf einmal zu "Feministinnen konvertierten". Aufrufe zum genauen Blick also und Warnungen vor einer kognitiven Militarisierung, die in der Folge den Einsatz von Wasserwerfern an den Grenzen legitimiere. (Tanja Paar, 14.4.2016)