Gefangene hat er noch nie gemacht: Der 75-jährige Wuppertaler Peter Brötzmann gilt als einer der radikalsten Vertreter des europäischen Free Jazz, als einer der Erneuerer des Genres, der mit seinem Tenor- oder Basssaxofon und der Klarinette ungehörte und ungeheure Töne zu blasen vermag. Jetzt gastiert der Meister der freien Improvisation zweimal in Österreich. Unterstützt wird Brötzmann dabei von einem guten Bekannten und einem neuen musikalischen Partner: Letzterer ist der New Yorker Posaunist Steve Swell, Ersterer der norwegische Schlagzeuger Paal Nilssen-Love, der mit Brötzmann u. a. im Chicago Tentet fuhrwerkt.

Die Triobesetzung erinnert an die alten Tage, als Brötzmann 1969 zu den Mitgründern des Berliner Plattenlabels Free Music Production (FMP) gehörte. 1968 veröffentlichte Brötzmann mit Machine Gun eine der wichtigsten Platten der neueren Jazzgeschichte. Dem Zeitgeist jener Tage entsprechend, wollten Musiker wie Brötzmann eingefahrene Hörgewohnheiten aufbrechen, und eine neue musikalische Formensprache des Jazz entwickeln.

Waffenschein für's Saxofon

Zu diesem Zweck wurden die Instrumentenhierarchien aufgehoben, wurde im Kollektiv improvisiert sowie prinzipiell die Rolle des Musikers neu definiert: Er sollte nicht länger Dienstleister sein. Die politische Linke aber habe Free-Jazz-Konzerte damals als zu elitär kritisiert, so Brötzmann in einem Buch, das Gespräche mit Gérard Rouy enthält; der vielsagende Titel: We Thought We Could Change the World. Brötzmanns eigener utopischer Vision von Kunst, Politik und Leben entsprach dieser Dogmatismus zu keiner Zeit. Ob der Soundrevolutionär auch heutzutage noch immer einen Waffenschein für sein Saxofon braucht, ist in Salzburg und Wels zu überprüfen. (dog, 14.4.2016)