Willkommen in der Poststation: Pantone 107 als Erinnerung an die Geschichte des Palais Fugger-Taxis?

Foto: WEST.Fotostudio, Wörgl

Innsbruck – Spätabends, das internationale Kunstvolk schipperte auf Charterbooten bereits von Biennale-Party zu Biennale-Party, konnte man Olaf Nicolai noch beim Arbeiten antreffen: etwa auf den Vaporetti Venedigs unterwegs zu den fliegenden Händlern der Stadt. Denn der Künstler hatte 2015 eine Schattenwirtschaft am Dach des deutschen Pavillons errichtet. Und davon sah man buchstäblich nur die flinken Schatten der für diese unsichtbare Ökonomie gefertigten Waren: Bumerangs, die ab und an über den Gebäuderand sausten.

Auch das nicht Augenscheinliche kann bei Arbeiten von Olaf Nicolai den Reflexionsprozess anregen. "Diese Trennung zwischen Gefühl und Denken oder Sprache und Bild habe ich für mich nie erfahren. Beides ist vollkommen gleichwertig", sagte er 2010 im STANDARD-Gespräch.

Und so sind es seit jeher minimale, aber nicht minder prägnante ästhetische Setzungen, mit denen Olaf Nicolai (geb. 1962 im sächsischen Halle) das Nachdenken über wesentlich komplexere gesellschaftspolitische Zusammenhänge – über Konsum, Ökonomie, Soziales – anzuregen vermag: Mit einem steinernen "X" versinnbildlichte er für das sogenannte Deserteursdenkmal in Wien etwa die Auslöschung durch die NS-Justiz. Oder: Für das, was Ideologie bedeutet, fand er in ebenjener Orchidee ein Bild, die 1975 für den damaligen nordkoreanischen Führer Kim Il-sung gezüchtet wurde. Oder: Er reduzierte das Modell einer post-fordistischen Gesellschaft auf die Form eines Glücksrads: "Enjoy" oder "Survive", so dessen karge Master-and-Servant-Optionen.

Auf die Schau im Taxispalais durfte man also gespannt sein. Da es oft Teil von Nicolais Praxis ist, ortsspezifisch zu arbeiten, knüpft er – im weitesten Sinne – an die Geschichte des Palais Fugger-Taxis an, in dem sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Poststation befand: Information und ihr Transport, ihr Fließen durch die Zeit prägt also die versammelten (medien-)philosophischen Arbeiten.

Beim Bad im grellen Limettengelb – Pantone 107 – sträubt man sich aber gegen den banalen Gedanken, hier werde auf das Postler-Gelb verwiesen. Reduziert man die Schau jedoch auf die Arbeit mit Stein, mit den dauerhaftesten Speichern von Zeit und Information, wird allzu spröde Theorie punktuell sogar poetisch. Wie lange braucht es, bis die Information "wetzende Schuhsohlen" Mulden in Marmor gräbt? Oder: Welche alten Geschichten sind im Inneren der Steine (Geoden) verborgen? (Anne Katrin Feßler, 15.4.2016)