Der Hofburg-Wahlkampf geht in die letzte Woche und nimmt nach verhaltenem Start endlich an Fahrt auf. Auch wenn die Zahl der Unentschlossenen noch groß ist: Die vielen medialen Auftritte tragen dazu bei, dass sich die Wählerinnen und Wähler von allen sechs Kandidaten ein schärferes Bild machen.

Irmgard Griss nutzte bisher geschickt die Politikerverdrossenheit und die TV-Präsenz. Je mehr konkrete Aussagen sie trifft, desto mehr Angriffsfläche bietet sie. Ihr konservatives Weltbild wird deutlicher, auch ihr Geschichtsverständnis. Wenn FPÖ-Kandidat Norbert Hofer gesagt hätte, es sei "nicht so, dass die Nazis von Anfang an nur ein böses Gesicht gezeigt haben", wäre die Aufregung nicht nur in Österreich groß gewesen. Auch ihre Wortwahl "Reichskristallnacht" und ihre Erinnerungslücken, ob sie nun Kurt Waldheim gewählt hat oder nicht, zeigen einmal mehr: Ihr fehlt politisches Gespür.

Breites Spektrum

So kann die Exhöchstrichterin Kritik an der Aktenvernichtung nach Erstellung des Hypo-Berichts nicht nachvollziehen. Es zeugt von Abgehobenheit, dass Griss 9000 Euro Beamtenpension als "normal" bezeichnet. Aber auch bei den Neos hat die Stimmung – Hauptsache keine typischen Parteienvertreter – ausgereicht, um sie ins Parlament zu tragen. Ihr Vorteil ist: Sie deckt ein breites Spektrum von konservativ bis liberal ab. Und sie ist die einzige Frau im Rennen.

Anders zu sein, jedoch über politische Erfahrung zu verfügen, ist das Asset von Alexander Van der Bellen. Aber er wirkte über weite Strecken müde, so als ob er tatsächlich von seiner Nachfolgerin Eva Glawischnig in diesen Wahlkampf getrieben worden wäre. In den TV-Duellen wirkte er jedoch aufgeweckter und gut vorbereitet. Dass Van der Bellen, der mit elf Jahren die bisher längste Amtszeit eines Grünen-Chefs vorweisen kann, als unabhängiger Kandidat antritt, grenzt schon fast an Wählertäuschung. Er kann auf Personal, Räumlichkeiten und mehr als eine Million Euro an Finanzmitteln der Grünen zugreifen. Es verwundert, dass Van der Bellen das nötig hat, weil seine persönlichen Sympathiewerte stets über die Umfragewerte für die Grünen hinausgingen.

Unscheinbares Dasein

Ihm kommt zugute, dass er in den vergangenen Jahren ein unscheinbares Dasein in der Wiener Stadtpolitik führte. Die beiden Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP können sich nicht einfach davonstehlen, denn sie haben als Sozialminister und Seniorenrepräsentant daran mitgearbeitet, wie die Zustände in diesem Land sind. Sie präsentieren sich als Apparatschiks, denen man nicht einmal mehr die Repräsentanz Österreichs zutraut. Im TV-Duell gingen die beiden aufeinander los und lieferten einen Eindruck, wie es wohl in der Koalition zugeht.

Nichtstun reicht

Norbert Hofer bräuchte eigentlich nichts zu tun und nichts zu sagen, um zu profitieren. Im Fernsehen präsentiert er smart bekannte rechte FPÖ-Botschaften. Innerparteilich rückt er zur Nummer zwei hinter Strache auf.

Die FPÖ tut sich schwer damit, Wählern zu erklären, warum sie diesmal doch zur Bundespräsidentenwahl gehen sollen – für ein Amt, das die Partei eigentlich abschaffen will und für das sich ihr Kandidat nach eigenem Bekunden zu jung fühlt. Richard Lugner hat als Zünglein an der Waage Gewicht, und die TV-Duelle wären jedenfalls lustiger mit ihm gewesen.

Eines hat der Wahlkampf schon bewirkt: dass sich wieder mehr Menschen für Politik interessieren. (Alexandra Föderl-Schmid, 16.4.2016)