Abschreiten der Ehrenformation am Nationalfeiertag: Viel zu befehlen hat der Oberbefehlshaber in der Regel nicht.

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Krieg – das muss man erst einmal erklären. Das ist die traditionelle Auffassung der Fortsetzung von Politik mit den Mitteln militärischer Macht. Formelle Kriegserklärungen – wie sie die alten Römer mit formellem Ultimatum und rituellem Schleudern einer blutigen Lanze ins feindliche Gebiet eingeführt hatten – sind etwas aus der Mode gekommen. Kriege brechen heute zumeist als lokale Konflikte oder als Bürgerkriege aus (was sie nicht weniger schrecklich macht).

Den Krieg erklären kann nur die Bundesversammlung

Die Bundesverfassung allerdings kennt den Begriff der Kriegserklärung noch. Wenn Österreich einem anderen Land den Krieg erklären wollte, müsste die Bundesversammlung, gebildet aus den Mitgliedern von Nationalrat und Bundesrat, zusammentreten und einen formellen Beschluss fassen. "Die Beschlüsse der Bundesversammlung über eine Kriegserklärung sind vom Bundeskanzler amtlich kundzumachen", heißt es im Artikel 40, Absatz 2 des BVG.

Das ist glücklicherweise noch nie passiert und auch für die Zukunft nicht sehr wahrscheinlich. Die verfassungsmäßig korrekte Vorgangsweise legt aber nahe, dass das Bundesheer als ein Machtmittel des Parlaments vorgesehen ist. Das aber stimmt nur zum Teil.

Präsidentenwille sticht Ministerwillen – in der Theorie

Denn im Artikel 80 heißt es: "Den Oberbefehl über das Bundesheer führt der Bundespräsident." Der Verfassungsrechtsprofessor Manfried Welan, der sich in jahrelanger Forschungstätigkeit speziell mit der Rolle des Bundespräsidenten befasst hat, schreibt dazu: "Geht man davon aus, dass der Begriff des Oberbefehls die Befehlsgewalt des zuständigen Bundesministers verlagert, das heißt der Bundespräsident in diesem Bereich dem Bundesminister Befehle in Bezug auf das Bundesheer erteilt, so muss der Bundespräsident als Oberbefehlshaber stets vom Willen des Inhabers einer Befehlsgewalt unabhängig sein. Diese Befehle des Bundespräsidenten bedürfen also keiner Mitwirkung anderer Organe." Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen Befugnissen des Staatsoberhaupts, die zumeist an Vorschläge der Bundesregierung gebunden sind.

Was das in der Praxis bedeutet, ist noch nicht erprobt – und jedenfalls ist das Bundesheer ebenfalls an die Verfassung gebunden: Hier greift vor allem der Artikel 79 der Bundesverfassung, der ausdrücklich bestimmt, dass das Bundesheer "zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit sowie der demokratischen Freiheiten der Einwohner" verpflichtet ist. Auch das Treuegelöbnis des Bundesheeres verpflichtet zur Gesetzestreue, die auch durch gesetzwidrige Befehle nicht ausgehebelt werden kann: "Ich gelobe, den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden Treue und Gehorsam zu leisten", heißt es in der entsprechenden Gelöbnisformel.

Präsidialdiktatur mit dem Bundesheer undenkbar

Dass der Bundespräsident mithilfe des Militärs eine Präsidialdiktatur errichten könnte, ist schwer vorstellbar; ebenso wie eine Militärdiktatur unter Ausschaltung der verfassungsmäßig vorgesehenen Organe in Österreich undenkbar erscheint. Welan argumentiert, dass das Verfügungsrecht des Bundespräsidenten über das Bundesheer vielmehr bedeutet, dass die Verfassung den Bundespräsidenten als eine Art "Nothelfer" sieht.

Dennoch hat das Wort des Bundespräsidenten in Wehrfragen besonderes Gewicht – und der Bundespräsident auch besonderen Zugang zu militärischen Informationen. Im Nationalen Sicherheitsrat wird der Bundespräsident durch seinen Adjutanten vertreten, der dort allerdings nur eine beratende Stimme hat. Als im Jahr 2011 der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos den Generalstabschef Edmund Entacher widerrechtlich seiner Funktion enthoben hatte, stellte sich Bundespräsident Heinz Fischer auf die Seite des Generals. Den Minister beeindruckte das wenig, Entacher musste seine Rückkehr auf den Chefposten rechtlich durchkämpfen.

Im Zweifel ist das Parlament wohl stärker

Ähnlich dürfte es mit anderen Wünschen des Bundespräsidenten zum Thema Verteidigung sein: Ob und inwieweit das Parlament mit seiner Budgethoheit etwa einer vom Bundespräsidenten erhobenen Forderung nach Erhöhung des Verteidigungsbudgets (eine solche Forderung hat FP-Kandidat Nobert Hofer gestellt) nachkommen würde, ist nicht abzusehen. In der österreichischen Praxis kann der Bundespräsident beim Militär vor allem eines: Ehrenformationen abschreiten. (Conrad Seidl, 20.4.2016)