Wie hätten Sie Ihren Jüngling vom Magdalensberg gern? Gläsern oder wächsern? Museale Stücke sind kollektive Besitztümer, findet Laric.

Foto: Iris Ranzinger, Secession

Wien – Als Gartenzwergalternative neben dem privaten Teich mit pritschelnden Wasserspielen oder repräsentativ auf der als italienisch missverstandenen Loggia aufgestellt – den antiken Göttern aus dem Gartencenter ist jeder schon einmal begegnet: plumpe pausbäckige Putti aus Gips oder die schöne Aphrodite aus witterungsbeständigem Plastik.

Denkt man die museale Demokratisierung, die Oliver Laric in seiner Ausstellung Photoplastik in der Secession vorführt, weiter, wäre zumindest die Vielfalt dieser edlen Heroen und Göttinnen in unseren Vorgärten riesig. Und die bleichweißen Kopien dank 3-D-gescannter und -gedruckter Skulpturen freilich auch viel perfekter.

So wie der römische Edelknabe, der uns in der in eine Skulpturenhalle verwandelten Secession nun mit erhobener Hand ein "Salve" zuzuwerfen scheint. Vielleicht grüßt er aber auch Beethoven, den Sandalen bindenden Hermes oder den Eisbären auf seiner Scholle, einer Skulptur aus dem Wiener öffentlichen Raum.

Den sogenannten Jüngling vom Magdalensberg durfte Laric im Kunsthistorischen Museum scannen: Jetzt wirkt er – in sechs Teilen und unterschiedlichen Materialien 3-D-gedruckt – leider eher wie der Farbfächer oder die Stoffmusterstreifen beim Einrichter des Vertrauens. Er ist eher Modell für die vielfältigen Möglichkeiten dieser Reproduktionswundertechnik, die nicht nur den Museen als Hütern der Originale, sondern der ganzen Industrie allmählich Kopfzerbrechen bereitet. Die rasanten technologischen Entwicklungen überrollen die politischen und ökologischen Systeme, und die Urheber- und Nutzungsrechte sind nicht so klar, wie sie vielleicht sein sollten.

Skulpturen per Download

Der in Berlin lebende, gebürtige Innsbrucker Laric bemüht sich also, Kunstgegenstände aus Museen als 3-D-Daten über geografische, soziale und kulturelle Grenzen hinweg zu verbreiten und einer zunehmend digitalen Gesellschaft zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck gibt es auch eine Webseite: Auf threedscans.com sind Daten von Skulpturen von Kollektionen aus aller Welt zum rechtefreien und kostenlosen Download bereitgestellt. Freilich nur dann, wenn die entsprechenden Museen kooperiert haben.

Auch der Louvre signalisierte jüngst Bereitschaft, heißt es. Womöglich kann man sich also auch bald die Venus von Milo fürs Nachttischchen ausdrucken.

Not so amused war hingegen das Museum der bildenden Künste Leipzig, zu dessen Sammlung Max Klingers thronender, 2,60 Meter hoher Beethoven zählt, dabei ist die Komponistenfigur nicht nur das Zentrum von Larics aktueller Schau, sondern war auch Kern der XIV. Kunstausstellung der Secession im Jahr 1902. Das Museum erlaubte den Scan nicht, also musste die Arbeit von einem 3-D-Designer anhand von Fotos rekonstruiert werden. Dabei – 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers erlischt das Urheberrecht – könnte man sogar einen Beethoven-Radiergummi oder einen Blumenübertopf aus der Vorlage gestalten.

"Aber der Kontext!", regt sich innerer Widerstand gegen den Demokratisierungstenor von Larics unkritischem Beitrag zur Urheberrechtsdebatte. Ist das wirklich zu elitär gedacht, wenn man keinen rechten Sinn darin erkennt, wenn ein Lucius Quinctius Cincinnatus (aus dem Schönbrunner Schlosspark) als Figur in einem Computerspiel wieder auftauchen könnte? Vielleicht gibt nächste Woche die Kunsthalle Wien Antworten: L'Exposition Imaginaire fragt im Zeitalter der Digitalisierung, ob die virtuellen Bildarchive im Netz tatsächlich die Ansprüche an eine Ausstellung einlösen können. Wie war das noch mit der Aura des Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit? (Anne Katrin Feßler, 20.4.2016)