Die Spitäler sollen entlastet, die niedergelassenen Ärzte aufgewertet werden. Das ist einer der Pläne, den Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely verfolgt.

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Steckbrief: Sonja Wehsely (SPÖ)

Funktion: Stadträtin für Gesundheit, Soziales und Generationen; im Amt seit 2007; davor Integrationsstadträtin

Budget: 4,22 Milliarden Euro

Mitarbeiter: Rund 31.000

Foto: Der Standard/Robert Newald

Wien – Über Sonja Wehsely war in den vergangenen Wochen viel zu lesen. An den geplanten Verschärfungen des Asylrechts ist ihre Kritik durchaus harsch, die Stadt Wien lehnte in einer Stellungnahme die Notstandsverordnung in der Asyl-Novelle ab. Im STANDARD-Interview dementierte Wehsely allerdings einen Bruch in der Partei in dieser Frage. Immer wieder werden Gerüchte laut, sie wolle Michael Häupl im Bürgermeisteramt nachfolgen und bringe sich in Stellung. Auch als Gegenpol zu Michael Ludwig, der ebenso als Kandidat gilt.

Teures Krankenhaus Nord

Wehsely ist seit zwölf Jahren Stadträtin in Wien. Für das Jahr 2016 stehen viele Projekte auf der Agenda. Die Errichtung des Krankenhauses Nord, das 2017 verspätet und mit rund einer Milliarde Euro teurer als geplant fertiggestellt werden soll, ist Teil des Spitalskonzepts 2030, an dem heuer weitergearbeitet wird. Die Stadt setzt künftig auf ein aus drei Regionen bestehendes Konzept mit weniger Spitälern und stattdessen Schwerpunktzentren.

Zweiter großer Eckpfeiler im Bereich Gesundheit ist die Primärversorgung, die auf neue Beine gestellt wird. Wehsely sieht die neuen Primärversorgungszentren als Serviceleistungen an die Patienten. Sie würden errichtet, "um den Beruf des Hausarztes attraktiver zu machen und um den Patienten ein leistungsfähiges und interdisziplinäres Angebot bieten zu können", sagt sie. Die Ärzte arbeiten im Team, die Öffnungszeiten sind flexibler. Angesiedelt sind in den Zentren auch Physio- und Psychotherapeuten oder Ernährungsberater. Derzeit gibt es ein Projekt in Mariahilf, die Pläne für ein zweites beim Donauspital waren konkret, bis die Umsetzung zuletzt zu wackeln begann.

Die Wiener Ärztekammer unterstützt diese Maßnahme inhaltlich. Laut Präsident Thomas Szekeres mangle es aber an Personal. Er fordert im Gespräch mit dem STANDARD 300 zusätzliche Kassenstellen für niedergelassene Ärzte in Wien. Derzeit gebe es "extrem lange Wartezeiten". Die Stadt müsse Sorge dafür tragen, dass trotz des "explosionsartigen Bevölkerungswachstums", auch durch die Flüchtlinge, die Versorgung gewährleistet bleibe – ohne größer werdenden Anteil an Privatärzten. Die Stadt müsse in die Tasche greifen und das Budget für die Gesundheitsversorgung erhöhen. Szekeres erkennt bei Wehsely Tendenzen, Ärzten mit Misstrauen zu begegnen. Dagegen verwehrt er sich: "Dieser Generalverdacht, dass sie nichts arbeiten, bringt nichts."

Als Wiens Sozialstadträtin ist Wehsely für die Bund-Länder-Verhandlungen zur Mindestsicherung zuständig. Zuletzt gab es heftige Auseinandersetzungen. Oberösterreich halbierte die Mindestsicherung für Asylwerber. Wehsely hält dagegen: "Wer die Ärmsten in der Gesellschaft gegeneinander ausspielt, gefährdet den sozialen Zusammenhalt." Außerdem hat sie juristische Bedenken, eine Differenzierung zwischen Österreichern und Asylberechtigten würde rechtlich nicht standhalten.

In Sachen Flüchtlinge vereinbarte Wien stattdessen eine Bildungscard. Mit dieser wird die Teilnahme an Deutschkursen und Integrationsmaßnahmen digital erfasst. Im Falle eines positiven Asylbescheids hat das AMS Zugriff auf die Daten. Als Anreiz gibt es eine Öffi-Monatskarte um vier Euro.

Seit November ist Wehsely auch für die Kontrollen der Kindergärten zuständig, mit April hat ein Team von Supervisoren die Arbeit aufgenommen. Auslöser dafür war die Kritik an den islamischen Kindergärten in Wien. Laut einer Vorstudie des Integrationsministeriums würden dort zum Teil "Parallelgesellschaften herangezüchtet".

Gernot Blümel, ÖVP-Chef in Wien, spricht von einer "Pseudo-Aufstockung von elf auf 13 Kontrolleure". Er bezeichnet Wehsely als "vollkommen überfordert und längst rücktrittsreif". Dass sie Kritik am Innenministerium wegen fehlender Zahlungen im Bereich der Flüchtlinge geübt hat, gefällt Blümel gar nicht. "Statt endlich ihre Arbeit zu machen, zeigt sie lieber einfach mit dem Finger auf andere."

Beim grünen Koalitionspartner fällt die Kritik sanfter aus. Jennifer Kickert war lange Zeit Wehselys Gegenüber beim Thema Gesundheit. Sie lobt die Geriatriereform in der vergangenen Periode. Wehsely sei es gelungen, sämtliche, zum Teil verwahrloste Pensionistenheime auf Zwei-Bett-Standard umzustellen. Auffallend sei Wehselys Konsequenz und sachliche Härte in Verhandlungen. Gleichzeitig sei sie auch kompromissbereit. Bei Verhandlungen im Gesundheitsbereich komme hinzu, dass auch immer der Bund bzw. die Sozialversicherungen mitzureden haben. "Je mehr Player dabei sind, desto komplizierter ist die Planung", so Kickert. (Rosa Winkler-Hermaden, 23.4.2016)