Keiner litt so schön wie O. V. Wright. Ein 1989 posthum erschienenes Livealbum des viel zu jung verstorbenen Soulgiganten ist jetzt erstmals neu aufgelegt worden.

Foto: Backbeat

Wien – Die Bilder sind gespenstisch. In einem einsamen Lichtkegel ist eine Gestalt in verwaschenen Farben zu erkennen. Die Bilder wackeln und sind unscharf. Wahrscheinlich sind sie mehr als einmal von alten Bändern umkopiert worden, bevor sie auf Youtube landeten. Sie zeigen einen Auftritt in Japan aus dem Jahr 1979. In das beschwörende Intro des Songs "Into Something" platzt nach einer Minute eine der schärfsten Soulbands des Planeten. Und vorne, am Mikro, hebt er ab, O. V. Wright, einer der größten Sänger des Fachs. Lange hatte er damals nicht mehr zu leben.

paul pollmann

Ein Jahr später ist Overton Vertis Wright an einem Herzinfarkt gestorben. Er wurde 41 Jahre alt. Das Konzert in Japan wurde 1989 auf dem Album "O. V. Wright Live" veröffentlicht. Nebst ein paar Kompilationen in übler Klangqualität ist es das einzige posthum veröffentlichte Album des Sängers. Was heißt Sängers? Dieses Giganten des Southern Soul. Jetzt wurde es vom Label Fat Possum erstmals neu als LP aufgelegt.

O. V. Wright war ein Sänger von überirdischem Talent. Die Empfindungen, die er in seine Musik einfließen ließ, kamen direkt aus seinem Leben, und dort residierte der Blues. Sein Produzent und lebenslanger Freund Willie Mitchell beschrieb ihn als liebenswürdigen, aber traurigen Menschen. "Er ist im Studio gesessen und hat vor den Aufnahmen mit seinen Händen gerungen. Vielleicht hat er sich so konzentriert, mir aber war es, als müsste er etwas aus sich hervorbringen. Etwas, das ihm seine unvergleichliche Stimme verlieh."

Yeroen

Bevor Mitchell als Produzent von Al Green weltberühmt wurde, nahm er mit dem aus diversen Gospelformationen zum Soul übergelaufenen Wright ab Mitte der 1960er-Jahre Platten auf. Auf dem Label Backbeat landeten die beiden eine Reihe von Hits. Mitchell entwarf für Wrights Blues einen eleganten Frack, die Intensität seines Gesangs ging dem Publikum unter die Haut wie eine Injektionsnadel.

Fünf Alben hat der zweifache Vater zwischen 1965 und 1973 aufgenommen. Dann rissen die Veröffentlichungen ab, und in seiner offiziellen Biografie klafft ein Loch. Denn die Injektionsnadel spielte tatsächlich eine Rolle in Wrights Leben. Er war heroinsüchtig und wurde nach dem 1973er-Album "Memphis Unlimited" wegen Drogenhandels zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Für wie lange, ist nicht überliefert.

Mitchell, stocksauer

1977 erschien auf Willie Mitchells Label Hi-Records das Album "Into Something (Can't Shake Loose)", sein Comeback. Al Green hatte Mitchell damals mitgeteilt, dass er sich nur noch seiner Kirche und Gospel widmen wolle, Mitchell, stocksauer, setzte seine Hoffnung auf Wright. Drei Alben haben die beiden vor seinem Tod aufgenommen, auch "Into Something" wurde von Fat Possum bereits wiederveröffentlicht. Doch der Zeitgeist wollte von Wright nicht viel wissen, und für den hedonistischen Disco-Zug war Wrights Wesen nicht geschaffen.

Ausgemergelt oder dick

Bilder aus dieser Zeit zeigen ihn entweder ausgemergelt oder pummelig, nie wirklich gesund. Sogar die Schneidezähne soll er verloren haben. Die wenigen Videos von damals belegen das ebenso wie ein leichtes Nuscheln in seinem Gesang, das seine Sufferer-Balladen noch erschütternder wirken ließ.

Begleitet wurden diese mentalen Beben von der Hi-Records-Hausband. Sie ist mit ihm 1979 nach Japan gereist und ist auf dem Livealbum zu hören. Dieselbe Formation hat die Klassiker von Al Green eingespielt. Oder von Syl Johnson, Ann Peebles und Otis Clay. Die Hodges Brüder Leroy, Mabon alias "Teenie" und Charles an der Orgel, und der Mann, der das geilste Hi Hat der Musikgeschichte gespielt hat, Howard Grimes.

Lord, have mercy

Japan war damals verrückt nach Soul, was viele, der aus der Mode gekommene Soulstars für Tourneen nutzten. Obwohl Wright zu der Zeit merklich mitgenommen war, trägt seine Stimme immer noch alle Facetten der von ihm besungenen Schicksalsschläge, ja, macht sie durch sein persönliches Drama noch intensiver.

Wright windet sich durch das Bekenntnis "I'd Rather Be Blind, Crippled and Crazy", bevor er sich als "Ace of Spades" ausgibt, zwei seiner Hits aus den 1960ern. Er singt Al Greens "Love and Happiness", kniet sich in "God Blessed Our Love", bevor er Percy Sledges "When a Man Loves a Woman" an sich reißt. Dann sichtet er seinen ersten Hit "That's How Strong My Love Is", den die Rolling Stones und Otis Redding gecovert haben.

Yeroen

Alles, was Soulmusik auszeichnet, ist hier in schmerzlichen Dosen vorhanden. Schuld und Sühne, Hoffnung und Verzweiflung. Wright kennt diese Themen wie wenige andere. Wenn ihm zwischendurch ein "Lord, have mercy" entfährt, empfängt es der Hörer als Gänsehaut.

Am Ende seines Lebens schloss sich ein Kreis. Aus dem Kirchenchor war er gekommen, ein Gospelalbum mit den Luckett Brothers sollte sein letztes Werk sein. Dann beschritt O. V. Wright den Weg, den er für sich früh schon prophezeit hatte: "I'm going home to live with god." (Karl Fluch, 28.4.2016)