Wirkt anonymisiertes Bewerben gegen Diskriminierung? Empirisch ist dem schwer beizukommen, es gibt auch nur wenig Forschung dazu.

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Pilotprojekte zu anonymisierten Bewerbungen (zumindest ohne Foto und ohne Namen) haben in Österreich bis jetzt keine Erfolgsgeschichte geschrieben, sondern sind in Schubladen verschwunden. Nun könnte sich das ändern.

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Bewerbungsunterlagen sind in Österreich besonders umfangreich – vom selbstverständlichen Foto über Zeugnisse bis zum Beruf der Eltern. Firmen wollen auf einen Blick möglichst viel sehen und wissen. Pilotprojekte zu anonymisierten Bewerbungen (zumindest ohne Foto und ohne Namen) haben in Österreich bis jetzt keine Erfolgsgeschichte geschrieben, sondern sind in Schubladen verschwunden.

Gernot Mitter, Experte für Arbeitsmarktpolitik in der Arbeiterkammer (AK), will es dabei nicht belassen. "Anonymisierte Bewerbungen sind nicht hinreichend gegen Diskriminierung, aber notwendig", postulierte er kürzlich bei einer Fachtagung zum Thema in der AK in Wien. Es geht kurz gesagt darum, dass Menschen in der ersten Vorauswahl nicht deswegen gleich aussortiert werden, weil ihr Name auf "ics" endet oder ihre Hautfarbe dunkler ist.

"Präventionsarbeit"

Wobei, es werde auch abseits vom Lebenslauf auf Papier diskriminiert, ergänzt August Gächter vom Zentrum für Soziale Innovation: Tests und Studien hätten ergeben, dass "ein Hauch von Akzent" viel eher die Antwort "Die Stelle ist vergeben" provoziert als vermeintlich "inländische" Sprache.

Für Gächter wäre anonymisiertes Bewerben eine "Präventionsarbeit". Obwohl: Ganz so simpel läuft es nicht, weil Untersuchungen in Frankreich etwa ergeben hätten, dass anonymisierte Bewerbungen von Jungen aus den Vorstadtbezirken, die große Lücken aufweisen, dann eher aussortiert werden, wenn sich eben diese Lücken nicht durch Herkunft / Wohnort / soziale Bedingungen erklären. Das Wie und in welchem Kontext ist also zu überlegen. Für Gächter ist der Top-down-Ansatz in Unternehmen ausschlaggebend dafür, ob anonymisiertes Bewerben funktioniert oder nicht. Eine optionale Gestaltung habe sich als nicht zielführend erwiesen.

Doppelt so oft Bewerben

Empirisch ist diesem Diskriminierungsthema schwer beizukommen, es gibt auch nur wenige Forschungen dazu.

Worauf sich Mitter klar berufen kann, ist allerdings die Studie von Doris Weichselbaumer (Uni Linz) im Auftrag des Sozialministeriums zur Frage, ob Bewerberinnen und Bewerber mit gleicher in Österreich absolvierter Schullaufbahn und gleicher in Österreich absolvierter weiterführender Ausbildung, aber mit unterschiedlicher ethnischer Zuschreibung gleich behandelt würden. Ergebnis: Eine Nigerianerin etwa muss sich doppelt so oft für eine Position als Personalverrechnerin oder als Assistenz der Buchhaltung bewerben, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch kommt, wie eine Österreicherin. Etwas besser ergeht es Chinesen, Türken und Serben – am höchsten bleibt aber immer der Rücklauf für die Österreicher.

Verhalten sich laut dieser Studie großen Firmen anders als kleine? Es seien "keine Effekte zu erkennen", sagt Weichselbaumer. Aber: Tendenziell sei zu bemerken, dass je höher das Bruttogehalt ist, desto weniger Migranten zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

Ablehnung und Beleidigungen

Dass rassistische Diskriminierung Alltagsgut sei, beschreibt die Untersuchung von Andreas Schadauer für den Verein Zara: Ablehnung bis Beleidigungen kämen da in den Interviews zutage. Die Folge sei Motivationsverlust, mindere Einschätzung der eigenen Chancen am Arbeitsmarkt und das Selbstbild als "Problemfall". "Entmutigte Arbeitnehmer", sagt Schadauer. Eine "große Rolle" gesteht Mitter einem neuen Anlauf "der öffentlichen Hand" zu. Dem Sozialpartner in der Wirtschaftskammer ebenso: Es wäre vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ein Vorteil in puncto Reduzierung der Recruitingkosten, wenn die WKO ihren Mitgliedern als Service entsprechende Formulare für anonymisiertes Bewerben zur Verfügung stellen könnte, sagt Mitter.

Des Weiteren seien wohl "gesetzliche Vorgaben" für private Arbeitsvermittler zu diskutieren, und: Dass die Antidiskriminierungsrichtlinie das Thema an Individuen delegiere, sei nicht zweckdienlich – zielführender wären wohl Instrumente wie Verbandsklagen. Mitter weiß, dass er sich für diese erneute Forderung keinen Mehrheitsapplaus holt. Für die Sommergespräche mit dem Sozialpartner bezüglich Fragen der Migration und Integration steht das anonymisierte Bewerben aber fix auf seiner Agenda. (Karin Bauer, 2.5.2016)