Laut SAP-Österreich-Chef Klaus Sickinger sind es "Querschnittqualifikationen", die künftig den interessanten Job bringen werden. Ein Studium reiche heute nicht mehr aus.

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"Die meisten Unternehmen sind in einer analogen Welt entstanden, haben sich darin erfolgreich entwickelt. Die werden nicht von heute auf morgen Uber oder Airbnb werden", sagt Sickinger.

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STANDARD: Dass Technikexperten in der Arbeitswelt von morgen gefragt sein werden, ist hinreichend diskutiert. Herr Sickinger, Sie sagen nun, dass es andere Profile sind, die künftig die Jobs bringen?

Sickinger: Fakt ist: Es gibt keinen Unternehmensbereich mehr, der nicht von Technik beeinflusst ist. Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, Anm.) helfen also absolut zu verstehen, was da gerade los ist. Aus meiner Sicht werden aber Querschnittsqualifikationen immer wichtiger. Technisches Verständnis, kombiniert mit Marketing etwa. Diese Crossoverkenntnisse werden es sein, die künftig den – interessanten – Job bringen werden.

STANDARD: Was abermals zu einem Mehr an Anforderungen führt?

Sickinger: Ein Studium genügt heute sicher nicht mehr, da ist Eigeninitiative gefragt. Jeder ist seines Glückes Schmied. Ich empfehle Jungen, möglichst früh durch Praktika in verschiedene Bereiche hineinzuschnuppern, sich schon während des Studiums Zusatzqualifikationen anzueignen. Jene, die das tun, haben Vorteile. Denn die Halbwertszeit des Wissens wird immer kürzer.

STANDARD: "Talente müssen vom Kindergarten bis zum Doktorat mobilisiert werden", sagte unlängst ein Professor der Technischen Universität Wien. Wie kann das gehen?

Sickinger: Die Techies werden ohnehin ihren Weg gehen. Wichtig ist, dass man die breite Masse erreicht. Kinder müssen schon in der Schule spielerisch an Technologie herangeführt, Tablets und Smartphones in den Unterricht miteinbezogen werden. Ist das Interesse erzeugt, kann man dazu übergehen, sie zum Beispiel Mini-Computer bauen zu lassen. Auch die Lehrlingsausbildung muss ins digitale Zeitalter übersetzt werden. An den Hochschulen muss die Praxisrelevanz zunehmen, akademische Bildung und Wirtschaft stärker verzahnt werden, damit die Absolventen die Anforderungen am Markt erfüllen. Hier sind Fachhochschulen schon sehr gut, bei den Unis gibt es noch Bedarf.

STANDARD: Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen?

Sickinger: Sie müssen einen "Digital Downgrade" verhindern. Momentan schrecken viele Menschen vor Anwendungen, die sie im Privaten nutzen, noch am Arbeitsplatz zurück. Wir haben neben Jungen, die sich intensiv mit Technologien beschäftigen, und technologieaffinen Mitarbeitern aber auch noch einen großen Rest, den wir abholen und begeistern müssen.

STANDARD: Und zwar wie?

Sickinger: Eine Möglichkeit ist das Konzept "bring your own device". Es sieht vor, dass Mitarbeiter ihre eigenen Geräte im Büro verwenden. Das bietet sich für Unternehmen an, die keine technologische Infrastruktur zur Verfügung stellen können. Eine andere Möglichkeit ist, gewisse interne Prozesse zu digitalisieren und so Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, mit diesen Tools zu arbeiten. Man muss experimentieren – das gilt übrigens auch für Geschäftsmodelle.

STANDARD: Wobei Digitalisierung ja nicht gerade die Kernkompetenz vieler Unternehmen ist.

Sickinger: Klar. Die meisten sind in einer analogen Welt entstanden, haben sich darin erfolgreich entwickelt. Die werden nicht von heute auf morgen Uber oder Airbnb werden. Sie müssen klein anfangen und experimentieren. Beispiel connected car: Autos werden zur Kommunikationsplattform, das ist sicher nicht die DNA der Automobilhersteller. Aber was haben die gemacht? Sie haben sich auf Entwicklungskooperationen eingelassen und probieren mit Partnern Neues aus. Viele heimische Firmen haben den Übergang von Mechanik zu Mechatronik geschafft. Jetzt steht mit der Digitalisierung der nächste Sprung an. Da sind wir momentan in Europa nicht Vorreiter. Ich sehe aber keinen Grund, warum wir ihn nicht schaffen sollten.

STANDARD: Anderes Thema: Frauen für Technikberufe gewinnen. Dass in Stellenausschreibungen männlich konnotierte Kompetenzen angesprochen werden, führt dazu, dass sie sich erst gar nicht für den Job bewerben, zeigen Studien. Kennen Sie das Problem?

Sickinger: Ja, die herkömmlichen Inserate sprechen Frauen nicht an. Wir haben vor eineinhalb Jahren damit begonnen, Jobinserate anders zu gestalten, mit der Unterstützung externer Experten.

STANDARD: Hat es etwas gebracht?

Sickinger: Bei der Auswahl unserer Trainees hat das gut funktioniert, und die Hälfte der Bewerber waren Frauen. Aber bis sich wirklich ein Unterschied zeigt, wird es dauern. Aber ich glaube, dass wir viel bewegen können, wenn wir es schaffen, die Wahrnehmung von Firmen wie SAP zu ändern und sie auch für Frauen als interessanter Arbeitgeber zu positionieren. (Lisa Breit, 3.5.2016)