In Vorarlberg treten etwa die Hälfte der 15-Jährigen eine Lehre an. Die Zahl der ausbildenden Betriebe ist in den letzten Jahren aber zurückgegangen.

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Es ist zwar kein großes Minus, aber doch: 6939 Jugendliche machen mit Ende März in Vorarlberg eine Lehre, das sind 4,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Zurückgegangen ist auch die Zahl der Lehrbetriebe: 8000 könnten ausbilden, aber nur 1952 tun dies – ein saftiges Minus von 20 Prozent seit 2008. Das Image der Lehre scheint im Bundesland, wo diese Ausbildungsform so beliebt wie nirgends sonst ist in Österreich, zumindest angekratzt.

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Christoph Jenny, stellvertretender Präsident der Vorarlberger Wirtschaftskammer und dort für Lehre und Berufsausbildung zuständig, erklärt die Rückgänge so: "Die Zahl der Lehrlinge in Vorarlberg ist in den letzten zehn Jahren um 600 Jugendliche gesunken. Gleichzeitig hat die Zahl der Lehrlinge, die in der Industrie ausgebildet werden, um 300 zugenommen. Die Erfahrungen zeigen, dass ganz überwiegend kleine Ausbildungsbetriebe aus der Lehrlingsausbildung ,herausfallen', weil sie – im Wettbewerb mit größeren Betrieben – keine bzw. keine geeigneten Jugendlichen mehr für eine Lehre finden." Dadurch erkläre sich auch der Rückgang der Ausbildungsbetriebe, der nur auf den ersten Blick dramatisch wirke. Die Struktur habe sich verändert.

Krisengipfel für Verbesserungen

Immerhin: Die Zahl der 15-Jährigen, die sich für eine Lehre entscheiden, liegt noch immer bei etwa 50 Prozent – eine Marke, die im Ländle möglichst nicht unterschritten werden will.

Dennoch hat die Vorarlberger Landesregierung im Herbst bereits eine Art Krisengipfel einberufen. An den Gesprächen beteiligten sich Arbeiter- und Wirtschaftskammer, die Gewerkschaft, die Industriellenvereinigung und das Arbeitsmarktservice (AMS). "Als Maßnahmen sind die Einführung von Zwischenprüfungen und die Aufstockung von Ausbildungsberatern beschlossen worden", sagt Jenny. Die Vorbereitungen dafür würden bereits laufen.

Dass die duale Ausbildungsform im Westen ein Erfolgsmodell bleibe, sagt auch Egon Blum, der in den Jahren 2003 bis 2008 Regierungsbeauftragter für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung war. Solange man noch über 45 Prozent Lehrlinge habe, sei alles in Ordnung. Allerdings müsse man die aktuellen Rückgänge ernst nehmen und reagieren. Im Interview mit dem STANDARD meint Blum außerdem, dass die Lehre in Österreich ein generelles Imageproblem habe: "Die Lehre wird seit Jahren für jene Jugendlichen als Ausbildungsweg gesehen, die es nicht in eine weiterbildende Schule schaffen. Von vielen Politikern und Interessenvertretungen wurde über Jahre außerdem eine Akademikerquote von 40 Prozent als Ziel genannt. Und bei Landtags- und Nationalratswahlen sprechen alle vom dringend notwendigen Wachstum. Von den dazu erforderlichen Fachkräften – ehemalige Lehrlinge – spricht aber so gut wie kein Politiker."

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Burgenland an letzter Stelle

Bundesweit war das Minus sowohl bei den Lehrlingen als auch bei den ausbildenden Betrieben noch größer. Wien und Niederösterreich haben einen Lehrlingsanteil von etwa 24 Prozent der Pflichtschulabgänger. Das Burgenland liegt bei knapp 23 Prozent. Während Wien schon 2008 bei diesem Wert lag, haben die beiden anderen Bundesländer zwischen 2008 und 2015 etwa sechs Prozent verloren.

Zuwächse gibt es in ganz Österreich bei der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung (ÜLA). Viele Betriebe nehmen laut Egon Blum seit der Einführung von ÜLA keine oder weniger Lehrlinge auf. Sie übernehmen stattdessen Jugendliche, die ihnen das AMS für eine Ausbildung zuteilt, und bekommen dafür eine Entschädigung. "Diese Ausbildung ist allerdings mit einer ordentlichen Lehre nicht vergleichbar und führt zu enormen Vermittlungsproblemen nach der Ausbildung", sagt Blum.

Flüchtlinge in einfachere Lehrberufe

Flüchtlinge würden derzeit in der Vorarlberger Lehrlingsausbildung noch eine untergeordnete Rolle spielen, sagt Jenny. Im Bereich der Industrie sollen mittelfristig 100 Lehrstellen für Flüchtlinge angeboten werden – "wir merken aber in unterschiedlichen Beschäftigungsprojekten, dass die Ausbildung derzeit meist noch an den Sprachkenntnissen der Flüchtlinge scheitert oder auch daran, dass diese sich unter einer Lehrlingsausbildung nicht viel vorstellen können". Es zeichne sich ab, dass sich die Ausbildung von Flüchtlingen vor allem auf "einfachere" Lehrberufe konzentrieren werde. (lhag, 3.5.2016)