Die Altartafel mit der Enthauptung Johannes des Täufers ist künftig im Kunstmuseum Krems zu bewundern.

Foto: Im Kinsky

Wiener Neustadt ist im Allgemeinen keiner jener Plätze, die man spontan mit einem kunsthistorischen Schlüsselwerk assoziieren würde. Ein Trugschluss, wenngleich ein verzeihlicher. Denn in der Chronik der europäischen Kunstgeschichte fällt das Epitaph des 1477 verstorbenen Florian Winkler in die Kategorie Fußnote. Und doch ist dessen Geschichte mit ihren Ausläufern in die Gegenwart erzählenswert.

Aufgrund seiner umfangreichen Schenkungen und seines gesellschaftlichen Rangs hatte der kaiserliche Söldnerführer im Dom zu Wiener Neustadt seine letzte Ruhestätte gefunden. Das zugehörige Grabdenkmal zeigt die Muttergottes mit dem Jesuskind und dem Heiligen Josef, im Hintergrund den Sündenfall und die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies. Stellvertretend für den Verstorbenen kniet vorne rechts der Namenspatron.

Wer diese auf Holz gemalte Temperaarbeit schuf? Man weiß es nicht. Denn wie die meisten Zeitgenossen seiner Epoche signierte der Künstler sein Werk weder mit Namen noch mit Initialen. Die Forschung kreierte deshalb einen klassischen Notnamen, der solchen Meistern zugewiesen wird, die aufgrund der eigenständigen qualitätsvollen Fertigkeit Anerkennung verdienen und nicht anonym bleiben sollten.

Zur Individualisierung behilft man sich mit charakteristischen Merkmalen wie Herkunft, Ort des Wirkens, typischen Gestaltungsdetails der Arbeiten oder eben einem Hauptwerk. Demnach wurde der Namenlose fortan "Meister des Florian-Winkler-Epitaphs" genannt. Neben dem im Wiener Neustädter Stadtmuseum verwahrten Epitaph schuf er zwölf Prophetendarstellungen im Dom. Wie umfangreich sein OEuvre war, weiß man jedoch nicht.

Die Autorenschaft eines Apostelmartyrien-Altars ist mittlerweile strittig. Die fünf Tafeln in Museumsbestand – im Frankfurter Städel (Petrus, Matthäus) und im Budapester Szépmüvészeti Múzeum (Judas, Jakobus, Bartholomäus) – werden von Experten für gotische Malerei mittlerweile einem Nachfolger zugeschrieben: dem "Meister der Apostelmartyrien".

Die Anzahl der zweifelsfrei identifizierten Werke ist überschaubar. In der Stadtpfarrkirche St. Stephan in Braunau am Inn hat sich ein Retabel (1480/1486) erhalten. Im Niederösterreichischen Landesmuseum verwahrt man dagegen zwei Außenflügel eines 1485/1490 datierten Altars. Nun bekommen "Christus am Ölberg" und "Christus am Kreuz" Gesellschaft, konkret in Form der Innentafeln mit den Darstellungen der "Enthauptung Johannes des Täufers" und der "Taufe Christi".

Getrennte Wege

Die Altarflügel waren zur besseren kommerziellen Verwertbarkeit irgendwann getrennt worden. Im Winter 1967/68 bot sie die Wiener Galerie Sanct Lucas zum Verkauf. Die Innenflügel wechselten in eine Privatsammlung, die Außenflügel in jene des Niederösterreichischen Landesmuseums. Den einstigen Ankaufspreis will man auf STANDARD-Anfrage übrigens nicht nennen. Dort fand im Zuge einer Ausstellung 1970 jedenfalls der letzte gemeinsame Auftritt des Ensembles statt.

Nun gelangten Innentafeln, die einst als "Festtagsseite" des Altars fungierten, über "im Kinsky" zur Auktion. Laut den im Katalog angeführten Provenienzangaben sollen sich die Altartafeln "wohl bis um 1966" im Besitz des Hauses Wittelsbach befunden haben, konkret in jenem von Prinz Joseph Clemens von Bayern.

Die beiden Festtagstafeln waren auf je 35.000 bis 70.000 Euro taxiert, der Hammer fiel bei jeweils 55.000 Euro netto. Und: Sie bleiben vereint und schlagen sich für den neuen Besitzer damit inklusive Aufgeld mit 138.600 Euro zu Buche. STANDARD-Recherchen zufolge wanderten sie nach Niederösterreich ab. Ja, bestätigt Hermann Dikowitsch. Eine solche Gelegenheit durfte man sich nicht entgehen lassen, betont der Leiter der Kulturabteilung. Der komplette Altar ist künftig im Kunstmuseum Krems zu bewundern. (Olga Kronsteiner, Album, 29.4.2016)