Nicht fein, aber mit Einsatz: Elisabeth Bakambamba Tambwe.

Foto: David Visnjic

Krems – Ein perfekter Ort für diesen Auftritt beim Donaufestival: die ehemalige Kremser Minoritenkirche. In den Chorraum war die Bühne als Triptychon aus Projektionsleinwänden eingebaut. Die Angebetete erschien als 3-D-Projektion auf einer transparenten Kunststofffläche im Zentrum vor diesem profanen Altar – ganz so wie bei den Livekonzerten, die der virtuelle Popstar Hatsune Miku vor allem in Japan gibt.

Mit ihr hat Künstlerin Mari Matsutoya eine brillante Performance gestaltet, die bereits beim Berliner Transmediale-Festival zu sehen war: Still Be Here, eine Dekonstruktion der Girlie-Fata-Morgana. Sie lässt die gespenstische Leere sichtbar werden, aus der dieses Produkt mit der Bezeichnung Hatsune Miku des Medienunternehmens Crypton Future Media besteht: eine ewig 16-jährige Lolita in Schuluniform-Mini und mit zwei langen türkisfarbenen Pferdeschwänzen.

Designt wurde sie ursprünglich von dem Mangaka Kei als Visualisierung einer synthetischen Stimmsoftware. Schon im Jahr nach ihrem ersten Auftritt 2007 galt sie als erste synthetische "Pop-Ikone". Bis 2013 wurden rund 170.000 überwiegend von Fans produzierte Videos mit ihr auf Youtube gestellt. Mari Matsutoya hat dieses Gespenst in medientheoretische Materialien – etwa Marshall McLuhans mit Platon konnotierte Engelsverehrung – gepackt.

Digitaler Hades

Das Publikum spürt, wie diese Technologie den Menschen von seinem Körper trennt, einen totalen Narzissmus entfesselt und den lebendigen Leib radikal entwertet: beispielsweise wenn Hatsune Miku, umgeben von einem Karussell aus ovalen Spiegeln, zum Sound von Laurel Halo in ihrem digitalen Hades tanzt.

So etwas wie ein Äquivalent als makabre Karikatur findet der Crypton-Fetisch bei Elisabeth Bakambamba Tambwes in Glasballons mumifizierten, mit Kleidchen und allerlei Accessoires zu Puppen umgestalteten Henderln.

Die Künstlerin und Choreografin spielt auf die Massentierhaltung an. Daher ergibt sich in der Zusammenschau ihrer Arbeiten mit Matsutoyas Performance eine unheimliche Verbindung. Ebenfalls Teil von Tambwes Installation Charlie And The Angels im Forum Frohner war ein kurzes Video, in dem unter dem Titel Reconstruction Gustave Courbets berühmtes Gemälde Der Ursprung der Welt ironisiert wird. Auch hier ein nackter weiblicher Unterleib – allerdings in Kommunikation mit einer einem Ei ähnlichen Zitrusfrucht. Das kann als Witz über europäische Afrika-Stereotype verstanden werden.

Down to earth

In Tambwes beim Donaufestival uraufgeführter Performance Flèche (Pfeil, Spitze) wird das berühmte Nijinsky-Ballett Le Sacre du printemps in der Interpretation von Pina Bausch buchstäblich "down to earth" gebracht. Zusammen mit dem Tänzer Sebastian Gec führt Tambwe einen Tanz um den kulturell in Form gepressten Körper auf, der gar nicht fein daherkommt.

Dafür ist das Stück voller Anspielungen auf das ganze Debakel ideologischer Irrungen, die Mehr- oder Minderwertigkeiten von Körpern propagieren. Elisabeth Bakambamba Tambwe ist eine ungestüme Künstlerin, die ihre Arbeiten mit vollem Einsatz, erhellender Intelligenz und entwaffnender Direktheit vor ihr Publikum schleudert. Hinweis: Ab 20. Mai ist Las Meninas, eine weitere Uraufführung von Tambwe, im Tanzquartier Wien zu sehen. (Helmut Ploebst, 2.5.2016)