Eine Beinvene, aufgenommen mit der neuartigen Bildgebungsmethode von Piur Imaging: Dabei wird eine Reihe von 2-D-Ultraschallbildern zu einer 3-D-Rekonstruktion verknüpft.

Foto: Piur Imaging

Wien – Wenn Blutgefäße im Bereich des Herzens oder in den Beinen verkalken, hilft oft nur noch eine Bypass-Operation. Die verengten oder verschlossenen Passagen der Arterien werden dabei überbrückt, der Blutstrom wird mit Gefäßen, die anderswo im Körper entnommen werden, an der geschädigten Stelle vorbeigeleitet. Die Beinvenen, die oft für diese "Umleitungen" verwendet werden, müssen vor der Entnahme gut untersucht werden: Verlaufen sie gerade oder gekrümmt? Wo gibt es Verzweigungen? Weisen sie Verengungen auf, die ihre Funktion beeinträchtigen?

Hier hakt das Start-up Piur Imaging mit einer Entwicklung ein, die verspricht, Diagnostik und Operationsplanung bei der Entnahme solcher Gefäße schneller und günstiger zu erledigen. Das Unternehmen, das 2014 in Deutschland gegründet wurde, übersiedelte vor wenigen Monaten nach Wien, "auch weil sich hier entsprechende Finanzquellen gefunden haben", erklärt Co-Gründer und Geschäftsführer Frederik Bender. Die Geschäftsidee, spezialisierte bildgebende Verfahren für kardiovaskuläre Krankheiten zu entwickeln, wird hier von einem privaten Investor und vom Seed-Programm der Förderagentur Austria Wirtschaftsservice unterstützt.

3-D-Modell statt Skizze

Die Untersuchung der Beinvenen vor einer Entnahme sei eine langwierige Prozedur, erklärt der Geschäftsführer. "Der Arzt schaut sich das Blutgefäß mithilfe von 2-D-Ultraschall an, untersucht den Durchmesser an mehreren Stellen und zeichnet dann eine Skizze für den Gefäßchirurgen." Bender und seine Kollegen wollen diesen Vorgang vereinfachen: "Mit unserer Technik kann man in zwei, drei Minuten das komplette Bein scannen und ein Blutgefäß in 3-D visualisieren. Der ganze Datensatz wird dann dem Gefäßchirurgen übergeben."

Die Entwickler kombinieren dafür ihr System mit bestehenden 2-D-Ultraschallgeräten. "Wir bringen Sensoren am Ultraschallkopf an, um dessen Position und Bewegung aufzuzeichnen", erklärt Bender. "Gleichzeitig greifen wir das Bild ab." Wenn der Arzt mit dem Ultraschallkopf das Gefäß am Bein abfährt, wird aus der Sequenz von Positions- und Bilddaten eine 3-D-Rekonstruktion der Vene errechnet. Indem neue Softwares für Visualisierung und Analyse entwickelt werden, können vorhandene elektromagnetische Trackingsysteme für die Ultraschallnavigation einen neuen Zweck erfüllen.

3-D- oder 4-D-Ultraschallgeräte, die räumliche Bilder liefern, seien für derartige Untersuchungen dagegen kaum verwendbar, weil sie nur kleinräumige Bereiche abdecken, so Bender. "Ein Beingefäß mit 60 Zentimeter Länge hat andere Anforderungen. Das abzubilden, bekommt man mit aktueller Technologie nicht hin."

Die zweite Anwendung, mit der das junge Unternehmen bald auf den Markt gehen will, betrifft die Behandlung von Aneurysmen, also krankhaften Erweiterungen von Blutgefäßen, die reißen und innere Blutungen verursachen können. Diese Ausbuchtungen – etwa bei der Bauchaorta, die den unteren Körper mit Blut versorgt – werden vorsorglich behandelt. Frühere offene Operationen, bei denen der Chirurg das Blutgefäß freilegt, wurden vielfach von minimalinvasiven Eingriffen abgelöst, wobei ein Stent, eine Gefäßstütze aus Kunststoff oder Metall, eingeführt wird. Der Nachteil dabei: Man muss regelmäßig prüfen, ob der Stent noch sitzt und dicht ist. Sogenannte Endoleaks, durch die Blut in die Umgebung gelangen, müssen erkannt und klassifiziert werden, um zu klären, ob der Patient erneut operiert werden muss.

Hier soll der Ansatz von Piur Imaging helfen, die sogenannte CT-Angiografie abzulösen, bei der ein jodhaltiges Röntgenkontrastmittel verabreicht wird, um die Blutgefäße sichtbar zu machen. Strahlung und Kontrastmittel können sich aber negativ auf die Gesundheit auswirken, so Bender. Er ist überzeugt, dass die Ultraschallmethode hier genauso gute Ergebnisse wie die CT-Angiografie erzielt. Zwar sei auch bei der Ultraschalluntersuchung ein Kontrastmittel nötig, die dafür eingesetzten gasgefüllten Mikrobläschen, sogenannte Microbubbles, die über die Niere wieder ausgeschieden werden, seien aber ungefährlich.

Idee aus Großbritannien

Die Idee zu dem Unternehmensprojekt entstand im Umfeld des Gefäßchirurgen Charles McCollum von der University of Manchester, der – wie auch weitere Ideengeber – zum Mitgründer und Berater von Piur Imaging wurde. Neben seiner Institution gehört auch das Klinikum rechts der Isar in München zu den klinischen Forschungspartnern.

Die ersten beiden Diagnostik-Anwendungen sollen heuer auf den Markt kommen, weitere sollen später folgen. Auch in die Hardware-Entwicklung möchten sich Bender und Kollegen wagen, um die externen Magnetfeldgeneratoren, die für die Positionsbestimmung nötig sind, abzulösen: "Wir wollen in Zukunft ein eigenes Positionstracking anbieten mit einer Sensoreinheit, die man auf den Ultraschallkopf draufsetzt und die per Bluetooth mit der Steuereinheit kommuniziert." (Alois Pumhösel, 14.5.2016)