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Selbst in Hollywood entdeckte man erst vor kurzem, dass sich auch mit Komödien Geld verdienen lässt. Die US-Schauspielerin Melissa McCarthy setzt neue Maßstäbe.

Foto: REUTERS/MARIO ANZUONI

Während für fehlende Frauen in der Politik oft krampfhaft nach Ausreden gesucht wird, müssen sie im Kulturbetrieb auch einmal als Vorlage für einen Gag herhalten. Als sich im vergangenen Herbst die oberösterreichische Landesregierung ohne eine einzige Frau formierte, protestierten Stermann & Grissemann in ihrer Late-Night-Show "Willkommen Österreich" gegen diesen Ausschluss. Es könne doch nicht sein, dass im 21. Jahrhundert eine Regierung oder eine Firma ausschließlich von Männern repräsentiert werde, schrieben sie in einem offenen Brief, der vom eigenen Team mit hundertprozentiger Männerquote unterzeichnet war. Stermann & Grissemann sind seit 2007 in der Comedy-Schiene des ORF vertreten, "Willkommen Österreich" ist darin nicht das einzige männerdominierte Format.

Peter Wustinger und Andreas Vana, beim Österreichischen Rundfunk verantwortlich für Kabarett und Comedy sowie "Die Nacht", betrachten den hohen Männeranteil zwar nicht als Problem, doch aber als Herausforderung, "Kabarettistinnen und weibliche Comedians noch stärker als bisher in diesem Bereich zu etablieren". Als Vorbild könnte etwa die deutsche Sendung "Ladies Night" dienen, die 2007 im WDR startete und mittlerweile von der ARD ausgestrahlt wird. Moderatorin Gerburg Jahnke empfängt dort ausschließlich Künstlerinnen aus Kabarett und Comedy – die von anderen SendungsmacherInnen noch immer übersehen werden.

Blinde Flecken

Frauen können nicht lustig sein: Obwohl unzählige Komikerinnen längst den Gegenbeweis angetreten haben, hält sich dieses Vorurteil nach wie vor hartnäckig. Davon weiß auch Nadja Maleh zu berichten. Die gelernte Schauspielerin stand schon in jungen Jahren gemeinsam mit Kollegin Valerie Bolzano auf der Kabarettbühne, für ihr zweites Soloprogramm "Radio-Aktiv" erhielt sie den Förderpreis des Österreichischen Kabarettpreises. Maleh kreiert fiktive Charaktere und tritt als Milliardärin auf Sinnsuche oder als Kindergärtnerin auf, deren Fremdenfeindlichkeit sich gegen Außerirdische richtet. Obwohl sie immer wieder in deutschen und österreichischen Fernsehformaten mitwirkt, sieht sie ihr Stammpublikum aus dem Kabarett als ihre "Basis" und erlebt es auch als offen für Neues. Dennoch sei der Weg für Frauen in diesem Geschäft noch immer ein steiniger. "Ich wurde einmal einem Veranstalter vorgeschlagen, und dieser meinte: Nein, wir wollen keine Frau, wir wollen etwas Lustiges", erzählt Maleh.

Florian Scheuba, der im ORF zuletzt gemeinsam mit Thomas Maurer und Robert Palfrader in "Wir Staatskünstler" zu sehen war und laut eigener Angabe gerne mit KünstlerInnen zusammenarbeitet, von denen er "weiß, dass sie etwas können", glaubt hingegen nicht an geschlechtsspezifische Hürden. Auf die Frage, ob es für Frauen im Kabarett grundsätzlich schwieriger sei, antwortet er: "Nein. Genauso wie ich auch nicht glaube, dass es Männer beim Theater schwerer haben, obwohl es dort viel mehr Frauen gibt."

Vergessene Feministinnen

Eine deutliche Mehrheit stellen Frauen im österreichischen Theater allerdings nur im Publikum. Das Wiener Kosmos-Theater betreibt genau aus diesem Grund eine gezielte Förderung von Künstlerinnen und setzt auf zeitgenössische Produktionen. Intendantin Barbara Klein stand in den 1980er-Jahren selbst als Kabarettduo Chin & Chilla mit Krista Schweiggl auf der Bühne. Das feministische Kabarett florierte zu dieser Zeit sowohl in Österreich als auch in der BRD und trat in Wechselwirkung mit der Frauenbewegung. Einen Einschnitt stellte schließlich die fortschreitende Digitalisierung dar, meint Barbara Klein rückblickend. Kabarettprogramme wurden auf CD und DVD vertrieben und steigerten den Bekanntheitsgrad, Roland Düringer oder Die Hektiker füllten zunehmend große Mehrzweckhallen.

Der 1993 erschienene Film "Indien" wurde für Josef Hader und Alfred Dorfer zum durchschlagenden Erfolg, auch das Fernsehen interessierte sich vermehrt für Kabarett und Comedy. "Im Vertrieb saßen Männer und engagierten wieder Männer, ähnlich sah es in den Fernsehredaktionen aus – und irgendwann waren die Frauen plötzlich draußen", sagt Klein. Der Frauenausschluss passiere nicht "aus Böswilligkeit", sondern entwickle sich in Männerrunden zum Selbstläufer – wenn nicht bewusst Gegeninitiativen gesetzt würden. In den 1990er-Jahren warfen einige Kabarettistinnen zur selben Zeit das Handtuch – neben Chin & Chilla etwa auch die Menubeln und Edith Hollenstein. Kabarettistinnen, die selbst ihre Programme schreiben und einen politischen Anspruch verfolgen, gebe es heute nur noch wenige, resümiert Barbara Klein.

Derbe Frauen

Im nördlichen Nachbarland sieht das etwas anders aus: Zumindest im Fach Comedy stehen Künstlerinnen in Deutschland aktuell im Scheinwerferlicht. Shooting-Star Carolin Kebekus setzt auf derbe Sprüche, ihre aktuelle Show nennt sich "Pussy-Terror TV" und knüpft an Anke Engelkes "Ladykracher"-Format an. In einem gemeinsamen Badewannen-Sketch gab diese offiziell das Zepter an die jüngere Kollegin weiter. "Die kleine, ungehobelte Schwester von Anke Engelke" nannte eine deutsche Journalistin Kebekus. Auch Martina Hill, bekannt aus "Switch Reloaded", spielt in ihrer Sketch-Comedy-Serie "Knallerfrauen" gekonnt mit Geschlechterrollen und dem herrschenden Mutterideal. Mit Feminismus will sie all das aber nicht in Verbindung gebracht wissen.

In Österreich ist Angelika Niedetzky eine der wenigen Frauen, die sowohl auf der Kabarettbühne als auch als Komikerin im Fernsehen reüssiert. Gemeinsam mit Ramesh Nair ist sie im ORF im Sketch-Format "Kalahari Gemsen" zu sehen, von 2004 bis 2007 war sie mit der versteckten Kamera für "Echt fett" unterwegs. Ihren ersten Kabarettpreis gewann sie mit der Gruppe Bakschisch noch während der Schauspielausbildung. Auch wenn ihre Soloprogramme erfolgreich laufen – Niedetzky möchte sich nicht nur auf das Kabarett konzentrieren. "Ich bin sehr froh, dass ich auch andere Sachen mache, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, um künstlerisch Abwechslung zu haben", sagt die gebürtige Linzerin.

Den "Mut zur Hässlichkeit", den Niedetzky selbst beweist, identifiziert sie trotz eines allmählichen Aufbruchs als Hemmnis für Frauen in der Branche. "Männer dürfen immer hässlich sein, dann haben sie halt Charakter. Aber bei Frauen, glaube ich, braucht es noch zwei Generationen, bis sich die Fortschritte wirklich durchgesetzt haben. Die Rolle der Frau ist in Österreich noch immer eine traditionelle, eine konservative", sagt Niedetzky. Interessante Rollen im Theater und im Film vermisst die ausgebildete Schauspielerin nach wie vor, aktuell arbeitet sie mit einer Kollegin am Drehbuch für eine Komödie, in der die Hauptrollen mit Frauen besetzt sind.

Selbst in Hollywood entdeckte man erst vor kurzem, dass sich auch mit Komödien Geld verdienen lässt, in denen Schauspielerinnen nicht nur als mäkelnde Freundinnen der Herrenrunde den Spaß verderben, sondern selbst neue Maßstäbe setzen – so wie Melissa McCarthy oder Kristen Wiig. Dass die Geschichte von den lustigen Frauen immer wieder neu erzählt werden muss, sei ein "lustiger Trick des berühmten Patriarchats", sagte Comedy-Ikone Hella von Sinnen in einem Interview mit dem "Spiegel". Selbst Loriot hätte niemals ohne die brillante Evelyn Hamann wirken können – gehypt würden aber immer nur "die Jungs". (Brigitte Theißl, 15.5.2016)