Wien – Auf den Blues ist Verlass. Immer wenn es zu kompliziert wird in der Welt, erinnert er einen an das wirklich Wichtige. An die Liebe, den Hass, die Trauer, die Sehnsucht. Zwei, drei Zutaten davon reichen für ein großes Drama, der Blues kommt meist mit einer aus. Ist er zu sich selbst großzügig, erweitert er das Themenfeld um Mord, Witz und Verzweiflung. Dass innerhalb dieses Claims untreue Sauhunde und rachsüchtige Weibsbilder tragende Rollen einnehmen, gehört sich so.

Blues ist eine archaische Musik, deshalb ist sie so zeitlos und wirkmächtig. Vorausgesetzt, die Prioritäten stimmen, die Emphase des Vortrags ist wichtig, die Virtuosität nicht so. Klar kann man spitzenmäßig sauber und fehlerfrei gegriffen über den notwendig gewordenen Mord an einem Nebenbuhler berichten, aber es rosamundepilchert dann halt oft ein bisschen.

Der Blues hat keinen Bart, nur seine Interpreten. Das Trio Hodja aus Dänemark befindet sich auf einer kleinen Österreich-Tour.
Foto: Magnificent Music

Die Band Hodja hat diesbezüglich keine schlechte Nachrede. Ihr Blues ist grob gezimmert, wuchtig, fies. Er kriecht in der Dämmerung aus den Löchern, ist zwider und hat einen schlechten Geschmack im Mund. Aus dieser Ausgangs lage hat das Trio bisher zwei Alben veröffentlicht, das erste, lapidar The Band betitelte erschien im Vorjahr, heuer Halos. Am Mittwoch gastiert die Band im Wiener Fluc, am Donnerstag im Salzburger Rockhouse.

Hodja stammen mehrheitlich aus Dänemark. Das liegt nicht gerade an der Wiege des Blues, aber das ist mittlerweile kein Hemmschuh mehr, um rotglühenden Zorn mittels einer slide gespielten Gitarre und eines misshandelten Schlagzeugs unters Volk zu bringen. Der Teufel kann einen auch in Kopenhagen reiten, und Hodja empfangen ihn dort willig auf ihrem vom Schicksal geformten Buckel.

Claudius Pratt singt vom Teufel (Devil on My Back), der Sehnsucht (Never Gonna Be Mine) und dem Durst (Cheap Wine) und Variationen davon. Schließlich hebt ein Kater am nächsten Tag die Laune nur bedingt.

HODJA

Hodja haben als Nebenprojekt von Reverend Shine Snake Oil Co. begonnen. So nennt sich die andere Band von Matthias Klein und Claudius Pratt. Auch damit hul digen sie dreckigem Blues vom Beginn des 20. Jahrhunderts, versehen ihn mit Südstaatenmythen und deren Klischees und schaffen daraus einen lose zusammengehaltenen Bluesentwurf, der um diverse Charakteristika des Country, Folk oder Gospel angereichert wird.

Das Album Halos verfeinert den eingeschlagenen Weg, ohne gefallsüchtig zu werden. Doch manchen Songs darf man durchaus eine erhöhte Eingängigkeit attestieren. Diese ist einer etwas ro ckigeren Ausrichtung geschuldet, ohne dass Hodja deshalb Verrat an der eigenen Mission begehen würden. Stellenweise klingen sie wie eine skelettierte Version von TV on the Radio, ohne sich trendig jemandem an den Hals zu werfen.

Auch so schon genug Ärger

Zudem vermeiden sie die sexuell aufgeladene Punkversion des Blues, wie man sie etwa von Jon Spencers Blues Explosion kennt. Dessen gamprige Gstanzln aus der großen Stadt gehen sich bei Hodja schon geschwindigkeitsmäßig nicht aus. In der Ruhe liegt die zerstörerische Kraft. Über sie entwickelt die Musik von Hodja einen beträchtlichen Sog und deutet ein paar Nachkommen des Blues an, den Rock ’n’ Roll, den Rhythm and Blues. Aber ohne einer Richtung zu sehr nachzu gehen. Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen, man hat so schon genug Ärger am Hals.

TheNoisodude

Hodja sind Gefangene des Blues. Doch sie kehren aus freien Stücken immer wieder zu ihm zurück, verschnaufen kurz, bis sich die nächste Verstimmung entlädt. Claudius Pratts Gesang spielt dabei alle Stückeln, ohne sich in gefälligem Expressionismus zu ergehen. Weniger ist mehr, da sind Hodja orthodox. Und die Resultate dieser Haltung geben ihnen recht. (Karl Fluch, 17.5.2016)