Marine Le Pen einte die Rechten unter Europas Rechten zur Fraktion im EU-Parlament: mit Matteo Salvini, Harald Vilimsky, Geert Wilders.

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Harald Vilimsky ist in diesen Tagen hin und her gerissen. Einerseits ist der FPÖ-Generalsekretär eine Speerspitze im Wahlkampf von Norbert Hofer im Rennen um das Amt des Bundespräsidenten gegen Alexander Van der Bellen. Auf der anderen Seite werkt Vilimsky als EU-Abgeordneter, Leiter der freiheitlichen Delegation im EU-Parlament – und dort als tragende Person der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF), die von Marine Le Pen geführt wird.

Sie ist in Hauptfunktion Chefin des Front National (FN), will 2017 Staatspräsidentin von Frankreich werden. Sie gibt in der Fraktion mit ihren 20 von knapp 39 Mandataren den Ton an. Das politische Hauptziel formuliert sie unverblümt: "Wir wollen diese EU zerstören." Wahlweise nennt Le Pen die Union und ihre Institutionen "eine Diktatur" oder wirft diesen "Verrat am Volk" vor. Sie ist nicht zimperlich, auch wenn sie sich bemüht, das ausländerfeindliche bis antisemitische Gehabe des FN unter ihrem Vorgänger und Vater Jean-Marie Le Pen abzustreifen.

Dafür warf sie ihn sogar aus der Partei. Die vier EU-Abgeordneten der FPÖ oder die vier von der islamfeindlichen Freiheitspartei von Geert Wilders aus den Niederlanden spielen in der ENF zweite Geige. Die FPÖ gilt sogar als "relativ gemäßigt".

Zweckgemeinschaft

Was die Absicht dieser rechten "Zweckgemeinschaft" ist, führten Le Pen, Vilimsky und Co vergangene Woche in einer Pressekonferenz vor. Offiziell sollte die strikte Ablehnung der EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada (TTIP und Ceta) Thema sein, weil "wir dann das schlechte Essen aus Amerika essen müssen", wie Le Pen sagte. Sehr rasch ging es um etwas ganz anderes. Präsident François Hollande "verrät das Volk", dieses sei "nicht mehr souverän", die "Demokratie abgeschafft". Ergo: Wenn sie Präsidentin werde, dann werde sie Schluss machen mit Euro, offenen Grenzen, EU-Handelspolitik, so Le Pen. Matteo Salvini von der Lega Nord aus Italien toppte sie: Er beschwor "eine heilige Allianz", weil wir in der EU "die falsche Währung haben", die "geht einher mit Völkermord" – das sagte er wörtlich: Völkermord. Die EU versuche "die Völker auszutilgen, die seit Jahrhunderten in ihren Ländern leben", erklärte Salvini.

Vilimskys Aussage, ein Nein zu TTIP könne – wie von Hofer versprochen – die Absenkung der Lebensmittelstandards verhindern, klang im Kontrast dazu fast schon brav. Aber es zeigte sich gut, was die Le-Pen-Fraktion im Sinn hat: EU-Themen dienen dazu, um Innenpolitik zu machen. Kein Wunder, dass die Britin Janice Atkinson den EU-Austritt der Briten (Brexit) als bestes Mittel gegen TTIP beschwor. Und der deutsche Neuzugang Marcus Pretzell von der AfD gegen Kanzlerin Angela Merkel polemisierte.

Vor Referendum

Die ENF wird im Parlament als extrem rechts eingeordnet. Das Lager der rechten Populisten und Nationalisten, EU-Skeptiker und -feinde ist komplex, Wechsel von Abgeordneten sind häufig: Gut 190 von 751 Abgeordneten umfasst es. Neben der Le-Pen-Fraktion und mehreren Fraktionslosen gibt es die Europäischen Reformer und Konservativen (ECR), deren Kern britische Konservative bilden, mit 74 Mandaten drittstärkste Fraktion nach Christdemokraten (EVP, 215), Sozialdemokraten (S&D, 190), vor Liberalen (70), Linksfraktion (52) und Grünen (50).

Die ECR will die EU nicht sprengen, aber nationalisieren. Dem Briten Nigel Farage von der Unabhängigkeitspartei (Ukip) und seiner Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD, 45) ist die Zukunft der EU relativ egal: Er will den Brexit. Spannend wird es daher nach dem Referendum in Großbritannien im Juni. Im rechten Lager steht dann jedenfalls eine Neuordnung bevor, schon wieder. Le Pen hofft, dass die ENF bei einem Zerbröseln der Briten zur drittstärksten Kraft im EU-Parlament aufsteigt. (Thomas Mayer, 18.5.2016)